04.05.2021 / Knud Wassermann

Jedem Kind sein persönliches Buch

Personalisierte Kinderbücher sind nichts Neues. Vor etwa 20 Jahren wurden die ersten Bücher aufgelegt, in denen Kinder in die Rolle des Helden schlüpfen und somit zu einem Teil der Geschichte werden. Nach wie vor erfreuen sich personalisierte Kinderbücher grosser Beliebtheit, und die Verlage berichten durchwegs von einer positiven Entwicklung.

Auf einer Homepage wird ein Buch ausgesucht, die variablen Daten werden erfasst und die Attribute festgelegt. In ein paar Tagen freut sich ein Kind über sein eigenes Buch und ist begeistert davon, dass es darin die Hauptrolle spielt. Personalisierte Kinderbücher sind ein typisches Beispiel, wie das Internet neue Anwendungen im Druck hervorbringt bzw. diese erst ermöglicht.

Die Champions League
Viele Eltern sehen in der Personalisierung eine Chance, ihre Kleinen für das Lesen von Büchern zu begeistern und sie damit über kurz oder lang zu wahren Leseratten zu machen. Wenn ich gewusst hätte, dass es personalisierte Kinderbücher von verschieden internationalen Fussballvereinen gibt, dann hätte ich es vielleicht auch geschafft, meinen Sohn mit einem Buch seiner Lieblingsclubs Borussia Dortmund oder FC Barcelona fürs Lesen zu begeistern. Das Zeitfenster ist leider geschlossen, jetzt ist er 16 und spielt eifrig an seiner Konsole «FIFA 2020». Der spanische Verlag «My Magic Story» hat die Idee unter dem Titel «My Magic Team» aufgegriffen und umgesetzt. Mittlerweile stehen 18 europäische Spitzenteams zur Auswahl.

Ein weiteres Beispiel, wie ein Verlag von diesem Trend profitiert, ist Sourcebooks. 2012 startete man als Versuchsballon die Personalisierung von Kinderbüchern über die Plattform «Put Me in the Story» – heute gehört sie zu den erfolgreichsten Projekten des Unternehmens. An dieser positiven Entwicklung wollen auch die grossen Kinderbuchverlage mitschneiden. So ist etwa Ravensburger 2017 bei dem britischen Start-up Wonderbly eingestiegen. 

Geschenke mit persönlicher Widmung
Das Unternehmen habe Technologie und Kreativität eindrucksvoll kombiniert und man sehe viel Potenzial im Bereich der personalisierten Kinderbücher, liess das Management von Ravensburger damals verlautbaren. Mit dieser Einschätzung ist Ravensburger nicht falschgelegen. Seit der Übernahme konnte man die verkaufte Auflage mehr als verdoppeln und hat mittlerweile an die 5 Millionen personalisierte Kinderbücher in der ganzen Welt verkauft. 

Gestartet ist Wonderbly mit dem Titel «The Little Boy Or Girl Who Lost Their Name», in dem sich der Name des Kindes ändert, für das es erstellt wurde. Auf der Homepage findet sich mittlerweile ein breit gestreutes Programm an Kinderbüchern für unterschiedliche Altersgruppen und Anlässen. Da personalisierte Kinderbücher meistens Geschenke sind, können die Bücher auch mit einer persönlichen Widmung versehen werden.



Individualisierung hoch drei
Die Hooray Studios in Slowenien haben den Individualisierungsgrad ihrer Bücher auf die Spitze getrieben. Auf der Homepage kann neben dem Namen des Kindes auch das Aussehen der Figuren individuell gestaltet werden. Die Auswahlkriterien reichen vom Geschlecht über den Hautton, die Haarfarbe, die Frisur, die Augenfarbe und -form. 

Dem Protagonisten kann sogar eine Brille aufgesetzt werden, und per Mausklick lassen sich Sommersprossen ins Gesicht zaubern. Hooray Studios spricht hier von einer Million Möglichkeiten der Individualisierung. Aber auch Geschwister und Eltern können in derselben Art und Weise in die Geschichte eingebaut werden. Das macht jedes Buch zu einem Unikat! 

Verborgene Inhalte
Das Unternehmen nutzt aber auch ganz gezielt Innovationen – etwa aus dem Digitaldruck – für das Geschichtenerzählen. So wird mit einer unsichtbaren, fluoreszierenden Farbe noch ein zusätzlicher Spannungsbogen in die Geschichte eingebaut. Mit dem Buch «Glow in the Dark» können die kleinen Leser eine versteckte Geschichte entdecken, die erst im Dunkeln in Kombination mit einer UV-Lampe sichtbar wird. 

Mit fast einer Million verkauften Büchern im Jahr 2019 zählt Hooray Studios heute zu den führenden Anbietern von personalisierten Kinderbüchern. Verantwortlich für den Druck von «Glow in the Dark» zeichnet der Müller Martini-Kunde Schätzl Druck & Medien aus dem deutschen Donauwörth, die die fluoreszierende Farbe ins Spiel brachte und so die neue Art des Storytellings ermöglichte. 

Freude teilen
Ein weiterer Newcomer ist die Schweizer Librio. Dahinter steckt keine langjährige Erfahrung im Verlagsbereich, sondern nur die Idee, personalisierte Kinderbücher zu entwickeln. Ende 2017 ging Librio mit dem ersten Buch «Farbenfroh» an den Start. Drei Bücher später gingen Mitte 2019 bereits 40 000 personalisierte Bücher über den virtuellen Ladentisch – was mehr als ein Achtungserfolg ist. Durch die weitere Expansion in Europa will man den Verkauf weiter ankurbeln.

Hier will man neben Qualität vor allem auch durch eine nachhaltige Produktion überzeugen. Eine schöne Sache ist, dass Librio für jedes gekaufte Buch ein weiteres Buch an ein Kind spendet. Einerseits, um die Freude am Lesen zu teilen und andererseits, um Kindern in anderen Erdteilen Zugang zu Bilderbüchern zu ermöglichen. Librio arbeitet hier mit der Organisation «Room to Read» zusammen.

Das Angebot an personalisierten Kinderbüchern ist mittlerweile gross. Die Nachfrage nach neuen spannenden Geschichten und smarten Ideen ist aber noch lange nicht gestillt und somit sind die Chancen sowohl für Verlage als auch Quereinsteiger, um in diesem Segment zu reüssieren, nach wie vor intakt.



Ihr 
Knud Wassermann
Chefredakteur «Graphische Revue»