Gab es neben der höheren Lebenserwartung auch andere Ergebnisse?
Wir haben herausgefunden, dass Lesen die kognitiven Fähigkeiten älterer Menschen verbessert. Wir glauben, dass dies der Grund dafür ist, dass sie einen Überlebensvorteil haben.
Ist der Effekt bei einem Kochbuch ebenso gross wie bei einem Roman?
Wir glauben, dass Leser in Bücher sehr viel tiefer eindringen können als in Zeitungen oder Zeitschriften. Dieser in Fachkreisen «Deep Reading» genannte Effekt sorgt unserer Ansicht nach dafür, dass Bücher die kognitiven Fähigkeiten besonders stark fördern. Wir haben keine Daten dazu erhoben, zu welchen Genres die Bücher unserer Probanden gehörten. Dies wäre ein interessantes Studienthema für die Zukunft.
Können Sie auf Grundlage Ihrer Erkenntnisse ableiten, warum das Lesen von Büchern die Lebenserwartung positiv beeinflusst?
Wir fanden heraus, dass der Überlebensvorteil durch kognitive Verbesserungen verursacht wird. Diese treten auf, wenn man Bücher liest. Frühere Forschungen deuten darauf hin, dass die für das Lesen benötigten kognitiven Fähigkeiten den Wortschatz, das Konzentrationsvermögen sowie das logische und kritische Denken positiv beeinflussen. Auch die sozialen Fähigkeiten, wie Empathie und emotionale Intelligenz, verbessern sich. All dies wurde in anderen Studien mit einer höheren Lebenserwartung in Verbindung gebracht.
Haben Sie untersucht, ob es einen Unterschied zwischen E-Books und gedruckten Büchern gibt?
Leider lagen uns für unsere Studie keine Daten dazu vor, welche Medien die Probanden bevorzugen (E-Books oder gedruckte Werke). Dieses Kapitel steht sozusagen noch aus und könnte weiter untersucht werden.
Die Teilnehmer Ihrer Studie waren allesamt älter als 50 Jahre. Gibt es eine Altersaufschlüsselung? Wenn ja: Schwankten die Ergebnisse zwischen den Altersstufen?
Wir haben die Untersuchung nicht für verschiedene Altersgruppen durchgeführt. Jedoch lag das Alter der Probanden angesichts der normalen Lebenserwartung gleichmässig verteilt auf folgende Altersgruppen: 30 Prozent waren zwischen 50 und 59 Jahre alt, 33 Prozent zwischen 60 und 69 Jahre, 25 Prozent zwischen 70 und 79 Jahre, 12 Prozent waren 80 Jahre oder älter.
Können Sie die Resultate nach Geschlecht, Gesundheit oder anderen Kriterien schildern?
Wir haben die Resultate nach Geschlecht unterteilt und herausgefunden, dass der Überlebensvorteil sowohl Männer als auch Frauen betrifft. Ferner haben wir festgestellt, dass die Ergebnisse unabhängig von Gesundheit, Wohlstand oder Bildungsniveau sind.
Gehen Sie davon aus, dass das Alter keine Rolle spielt? Oder anders ausgedrückt: Würde ein 20-Jähriger, der dreieinhalb Stunden pro Woche Bücher liest, vom gleichen Vorteil profitieren?
Es ist schwer, hier zu verallgemeinern, da jüngere Erwachsene nicht Gegenstand der Studie waren. Ohne dass mir Belegdaten vorliegen, würde ich davon ausgehen, dass die Wirkung auch in jüngeren Altersgruppen sichtbar wäre. Es würde mich freuen, hier künftig weitere Untersuchungen zu lesen.
Warum liegt die gewählte Schwelle ausgerechnet bei dreieinhalb Stunden? Angenommen, ich läse sechs Stunden pro Woche: Würde dies proportional meine Lebenserwartung erhöhen?
Es gibt tatsächlich eine Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen der Lesedauer und der Überlebensrate. Dies zeigt sich daran, dass Probanden, die mehr lasen, eine höhere Lebenserwartung hatten. Jedoch erwies sich selbst eine Lesedauer von 30 Minuten täglich als vorteilhaft. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob es eine Obergrenze für den Effekt gibt, aber die uns vorliegenden Daten deuten an, dass Lesen zu einem robusteren Überlebensvorteil führt.
In einem Artikel in der «Washington Post» war zu lesen, dass Variablen wie das Bildungsniveau, das Einkommen und der Gesundheitszustand berücksichtigt wurden. Wie genau haben Sie diese Variablen berücksichtigt?
All diese Kovarianzen sind im statistischen Modell enthalten. Weitere Variablen sind beispielsweise das Alter, die Rasse, der subjektive Gesundheitszustand, Depressionen, der Beschäftigungsstatus und der Familienstand. Wir konnten diese Variablen herausrechnen, so dass ihre Auswirkungen im Modell erkennbar waren.
Gibt es andere Studien, die Ihre Resultate untermauern oder auch widerlegen?
Frühere Untersuchungen ergaben gemischte Resultate dahingehend, ob Lesen im Allgemeinen das Leben verlängern kann. Diese Studien waren jedoch nicht auf das Lesen von Büchern fokussiert.