Die meisten Ihrer Titel sind eine Mischung von Illustrationen und Text. Inwiefern ist diese Kombination prädestiniert für Kinder?
Kinder, die unsere Zeitschriften lesen, sind im Frühstadium ihrer Lesekompetenz. Deshalb wollen wir sie nicht mit zu langen Textblöcken überfordern, sondern mit der Kombination von Wort und Bild ans Lesen heranführen und auf das Lesen neugierig machen. Dafür finden wir übrigens auch starken Zuspruch von Pädagogen, bei denen Comics mittlerweile ein hervorragendes Image haben.
War das schon immer so?
Nein. Als in den 50er-Jahren die ersten «Micky Maus»-Magazine erschienen, gab es seitens der Schulen noch Boykottaufrufe, weil Comics als Schundliteratur betrachtet wurden. Doch das hat sich komplett gedreht. Erst kürzlich haben wir einige «Micky Maus»-Ausgaben speziell für den Schulunterricht ausgerichtet. Auch viele Eltern sehen – wie wir aus unseren Befragungen wissen – gedruckte Comics als willkommenes Medium, um die Aufmerksamkeit von digitalen Medien etwas abzulenken.
Ihre Zeitschriften erscheinen als geheftete und als klebegebundene Produkte. Wie sieht das Volumen-Verhältnis zwischen Sammelheftung und Softcover aus?
Zwei Drittel Sammelheftung, ein Drittel Klebebindung.
Für wie wichtig erachten Sie es, neben den Printausgaben als Kerngeschäft im Sinne eines emotionalen Ankers auch auf anderen Kanälen Präsenz zu zeigen?
Für uns ist das wichtig, aber ich sage ganz bewusst: Es ist nicht sehr wichtig. Und es zeigt sich bei den verschiedenen digitalen Kanälen ein differenziertes Bild. Wir haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchaus unsere Erfahrungen mit digitalen Medien gemacht, und es ist für die Print-Marken bei weitem nicht das eingetreten, was man mal als Potenzial vermutet hätte. Es gab bei uns vor rund fünf Jahren mal eine Phase, als sich der Konzern sehr stark auf die Produktion von Apps ausrichtete. Da wurde sehr viel Geld investiert, aber auch sehr viel Geld verbrannt. Ich finde es auch aus heutiger Sicht richtig, dass man das gemacht hat, um zu zeigen, dass man bereit ist, neue Wege zu gehen. Aber man muss sich von den Modellen auch wieder verabschieden, wenn sie nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Gilt das auch für Ihre Websites?
Da haben wir differenzierte Erfahrungen gemacht. So haben wir beachtlichen Erfolg mit den Produkt-Websites zum «Lustigen Taschenbuch» oder «Micky Maus-Magazin». Durch Vermarktung der Anzeigen oder durch die Verlinkung zu unserem Ehapa-Shop erzielen wir so relevante Erlöse, dass sich diese beiden Seiten mit kleinen Gewinnen tragen. Sie sind ein wichtiges Marketing-Tool, jedoch kein mit Print vergleichbares Geschäftsmodell. Auch mit E-Books haben wir einige beachtliche Erfolge erzielt, doch kamen sie nicht annähernd an die vor Jahren gemachten Branchenprognosen heran.
Wie hoch ist der Anteil E-Books bei Ihren Kinderzeitschriften?
Beim «Lustigen Taschenbuch» beträgt er knapp 2 Prozent.
So tief?
Das liegt nicht zuletzt daran, dass es in Deutschland traditionell Vorbehalte gegenüber digitalem Lesestoff gibt – vor allem bei Kindern. Zudem sind digitale Medien in Deutschland immer noch stark mit dem Gratis-Stigma behaftet. Man hat gelernt, für digitale Inhalte nicht zu zahlen. Andererseits ist es natürlich so, dass beispielsweise beim «Lustigen Taschenbuch» erst die Haptik das komplette Produkterlebnis auslöst. Ein digitales Medium hingegen schafft eher eine gewisse Distanz zu den Inhalten.
Werden sich diese 2 Prozent in absehbarer Zukunft nach oben verändern?
Da wage ich ehrlich gesagt keine Prognose mehr. Langfristig wird der Wert wohl etwas ansteigen, die Erwartung früherer Jahre aber kaum erfüllen können.
Können Sie uns ein typisches Beispiel sagen, bei dem elektronische Medien die Auflage Ihres Printprodukts beflügeln?
Nein, wir haben keine digitale Verlängerung realisieren können, die nachweislich zu einer Erhöhung der Verkäufe der gedruckten Magazine geführt hat.
Stichwort elektronische Medien: Reichern Sie Ihre Printprodukte auch mit Animationen an – das «Micky Maus Magazin» etwa mit kurzen Filmausschnitten als Augmented Reality?
Offen gesagt, haben wir da die optimale Lösung noch nicht gefunden. Wir arbeiten aber daran, und es wird auf absehbare Zeit entsprechende Lösungen geben. Wir haben die digitale Verlängerung bisher eher über unsere Websites gesehen. Wir haben es auch schon mit QR-Codes versucht, doch diese werden von Kindern nicht stark akzeptiert.
Fahren Sie die elektronische Schiene trotzdem weiter?
Sehr differenziert in Bezug auf die einzelnen digitalen Medien. Wir lassen beim «LTB» die E-Books weiterlaufen, weil sie in der Produktion relativ günstig sind und wir es als Service gegenüber unseren Lesern ansehen. Und natürlich werden wir unsere Websites weiterhin betreiben, weil uns über unsere Websites generierte Einkäufe in unserem Onlineshop Verkaufserlöse im tieferen sechsstelligen Bereich bringen. Von Apps haben wir uns aber erst mal verabschiedet – und das ist auch gut so.
Wie eingangs erwähnt, suchen Sie unter dem Motto «Der Kunde bestimmt den Weg» den permanenten Kontakt zu Ihrer Hauptzielgruppe und hören sich regelmässig an, was Kinder Ihnen zu sagen haben. Wie machen Sie das?
Wir laden Schulklassen in unser Haus ein, vermitteln ihnen einen Blick hinter die Kulissen und machen einen kleinen Workshop mit ihnen, indem wir den Kindern einen Stapel Magazine auf den Tisch legen. So bekommen wir ein Gespür, wie die Kinder reagieren und berücksichtigen ihr Feedback bei der Realisierung unserer Printprodukte. Ergänzend betreiben wir auch institutionelle Marktforschung, weil es gefährlich wäre, nur aus Momentaufnahmen Rückschlüsse für die Entwicklung von Produkten abzuleiten.
Letztlich sind es ja aber die Eltern, die für ihre Kinder die von Ihnen herausgegebenen Zeitschriften abonnieren oder am Kiosk kaufen. Haben Sie Erkenntnisse aus welchen Überlegungen sich Eltern für Ihre Printprodukte entscheiden?
Nicht selten spielt die Tradition eines Produkts eine wesentliche Rolle. Denn viele unserer Produkte stellen sich äusserlich und inhaltlich fast immer noch so dar wie vor 50 Jahren – wenn man mal davon absieht, dass heute alle Seiten farbig sind. Deshalb kommen nicht selten Kindheitserinnerungen von Eltern mit ins Spiel. Wir profitieren davon, dass unsere starken Marken bei vielen Eltern einen hohen Sympathiebonus haben.
Aus Grossbritannien stammt eine neue Studie, die besagt, dass lediglich 8 Prozent der Eltern von Kindern bis 8 Jahren ihren Nachwuchs unbesorgt E-Books lesen lassen, während 80 Prozent Bedenken haben. Parallel dazu gibt es Zahlen aus den USA, wonach in den USA Eltern von Kindern wieder vermehrt gedruckte Bücher statt E-Books lesen. Lässt sich Ihrer Ansicht nach daraus ein Retro-Trend in Richtung Print ablesen? Wenn ja: wie erklären Sie sich diesen?
Ich will keineswegs den Eindruck vermitteln, digitale Medien seien minderwertig. Aber unsere gedruckten Produkte spielen ihre Vorteile nicht zuletzt als Entschleunigungsmedium aus. Deshalb bleibt für uns Print ein relevanter und wichtiger Markt. Was den Wettbewerb unter den Medien anbelangt, darf man allerdings nicht vergessen, dass wir nicht nur eine Konkurrenz zwischen Print und Digital haben. Denn das Zeitbudget für Kinder ist in den vergangenen Jahren angesichts steigender Freizeitaktivitäten geringer geworden. Viele Kinder werden ja heutzutage von einem Anlass zum nächsten herumchauffiert. Und trotzdem gibt es immer mehr Kinderzeitschriften.