Wird Virtual Reality die Printindustrie in Zukunft weiter verändern – und wenn ja: in welche Richtung?
Virtuelle Anwendungen werden die grafische Industrie zwar nicht komplett verändern. Aber ich bin überzeugt, dass VR, AR und MR (Mixed Reality) die Nachfrage nach neuen Printformen und damit auch die Verdienstmöglichkeiten von Druckern vergrössern wird. Und zwar in allen Segmenten – Zeitungen, Zeitschriften, Werbekatalogen, Direct-Mail, Etiketten und Verpackungen. Denn MR gibt Druckprodukten einen Mehrwert, von dem Leser, Konsumenten und damit auch die Werbetreibenden profitieren.
Warum ist es Ihrer Ansicht nach so wichtig, Print und Mobile-Devices miteinander zu kombinieren?
Weil ohnehin schon alles miteinander verbunden ist – also ist es doch nur eine logische Entwicklung, dass auch Print mit elektronischen Medien verknüpft wird. Ich sehe keinen Grund, warum Print «dumm» bleiben sollte, wenn es doch so intelligente Anwendungsmöglichkeiten gibt.
Sie sprechen in diesem Zusammenhang von «Connected Print». Was verstehen Sie darunter konkret?
Ich unterscheide bei Print-Anwendungen zwei Kategorien.
Einfache Klicks: statische Printprodukte, nur aus Papier und Druckfarbe bestehend – das ist für mich wenig interessant, denn das haben alle.
VIP-Klicks: Printprodukte, die ein verstecktes Erlebnis vermitteln und das Einfallstor sind für eine unverschlüsselte digitale Erfahrung – sie machen den Unterschied aus, denn sie bieten einen echten Mehrwert. VIP-Klicks sind Druckprodukte, die mittels Apps oder Clouds IOT-fähig sind, also vernetzt mit dem Internet Of Things.
Je mehr VIP-Klicks-Jobs generiert werden, desto mehr Produkte im höheren Preissegment können Drucker verkaufen und desto besser sind dann wiederum ihre Margen. Ein ideales Einstiegsmittel ist Best Customer Marketing: Alle bekannten Marken haben ihre VIP-Kunden, die für einen beträchtlichen Teil des Umsatzes sorgen. Aus Marktanalysen wissen wir, dass 5 bis 7 Prozent der Kunden 30 bis 40 Prozent des Profits erwirtschaften, die Top-10-Kunden machen gut 50 Prozent des Profits aus.
Inwiefern sind gerade Top-Marken prädestiniert für Mixed-Reality-Applikationen?
Für Markenartikler sind emotionale Anbindungen und das Vermitteln von Erfahrungen besonders wichtig, um sich von ihren Mitbewerbern abzuheben. Darum wird das Erzählen einer Geschichte auch für Anzeigenkunden immer wichtiger. Wenn ein statisches Bild in einer Zeitung oder ein Poster via Smartphone zum Leben – will sagen: zu bewegten Bildern mit einer guten Idee und einem hochqualitativen Inhalt – erweckt wird, dann generiert dies einen echten Mehrwert. Deshalb sind Drucker und Markenartikler die Hauptansprechpartner meiner Mixed-Reality-Applikationen.
Die Applikation ist das eine, eine auf die Leser und Kunden zugeschnittene Präsentation das andere. Wie wichtig ist der richtige Inhalt bei AR, VR und MR?
Die beste Technologie ist wertlos ohne Inhalt. Darum sind die richtigen Ideen und eine hohe Kreativität wichtige Eckpfeiler meines offensiven Denkens. Denn Kunden sind Menschen, keine Nummern in irgendwelchen Excel-Tabellen, und sie schätzen persönliche Aufmerksamkeit. 99 Prozent aller Drucker verfügen über einen nahezu identischen Maschinenpark. Deshalb sind Ideen zum wichtigsten Kapital nicht nur in der Marketingkommunikation, sondern auch in der grafischen Industrie geworden.
Dann sehen Sie also solche Animations-Elemente in Zeitungen und Magazinen neben dem redaktionellen Teil auch als Chance für Anzeigenkunden?
Ja, klar. Denn klassische Anzeigen sind langweilig. Wir waren uns lange Zeit gewohnt, erst den Text zu lesen, dann die Bilder anzuschauen, und später haben wir auch noch Videos entdeckt. Jetzt haben wir eine Möglichkeit, all dies zu kombinieren und in 360-Grad-Videos spannende Geschichten zu erzählen. Das ist für redaktionelle Inhalte ebenso interessant wie für Werbekunden.
Werden sich AR, VR und MR in Kombination mit Print in Zukunft also verstärkt Richtung Marketing entwickeln, oder behalten sie auch weiterhin ihren Status als Fun-Element?
Ob Unterhaltung, Spiele, Marketing, Verkauf, Nachrichten, Bildung oder Verpackungen – ich sehe in allen Bereichen unendlich viele Anwendungsmöglichkeiten. Ohne Zweifel werden solche Applikationen insbesondere auf Etiketten und Verpackungen zunehmen – wegen des hohen Stellenwerts des Points of Sale und des scharfen Wettbewerbs der Produzenten.
Halten Sie Online- und On-Life-Elemente auch für probate Mittel, mit denen gedruckte Tageszeitungen oder Magazine den Auflagenrückgang bekämpfen können?
Zweifellos. Denn so können die Herausgeber ihren Lesern deutlich mehr bieten. Ich bin sicher, dass attraktive Applikationen gerade für Zeitungen an Bedeutung gewinnen werden, denn wir stehen hier erst am Anfang einer grossen Entwicklung. AR und Storytelling mittels 360-Grad-Videos bieten eine Menge Möglichkeiten für die Druckindustrie und für die Art und Weise, wie Leser – oder sollten wir sie nun Betrachter nennen? – sie konsumieren.
Die Verwendung von AR, VR und MR ist das eine, die Leute aber auch tatsächlich zum interaktiven Handeln zu bewegen, das andere. Was halten Sie für die beste Methode, die Leute dazu zu bringen, ihr Smartphone zu aktivieren?
Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Man muss – wie vorhin erwähnt – mit interessanten Inhalten und richtigem Storytelling das Interesse der Leser wecken. Dann nehmen die Leute automatisch ihr Smartphone zur Hand.
Sind Print/Multimedia-Kombinationen eher etwas für jüngere, Smartphone-affine Leute, oder sehen Sie auch ein Potenzial für die ältere Generation?
Natürlich nutzen vorwiegend jüngere Leute Smartphones. Doch es wäre für Zeitungs- und Zeitschriften-Herausgeber sowie Werbetreibende ein grosser Fehler, sich mit solchen Applikationen nur auf Jüngere zu konzentrieren.
Und wohin führt der Weg von Print/Online-Kombinationen Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren?
Die Entwicklung wird weitergehen – und zwar rasant. In der grafischen Branche entsprechen zwei Jahre von heute sieben Jahren von früher. Die Anwendungen werden noch komplexer. Nach Augmented Reality und Virtual Reality steht bereits die nächste Evolution vor der Tür: Mixed Reality, das die reelle Welt mit einer virtuellen Realität vermischt.

Als Visitenkarte gibt Rafi Albo jeweils diese aus Holz kreierte Kassette ab und pflegt ironisch anzumerken: «Ohne innovative Ideen verschwinden Sie eines Tages genauso vom Markt wie Audiokassetten»