13.01.2023

Drucksachen stehen für glaubwürdige Botschaften

In der Schweiz gibt es als weltweites Unikum eine parlamentarische Gruppe Print + Kommunikation. Wir fragten deren Co-Präsidenten Damian Müller, Mitglied des Ständerats (Kleine Kammer), für welche Ziele sich diese Gruppe einsetzt und wie er die Zukunft der grafischen Branche in der Schweiz im Allgemeinen und von Printprodukten im Besonderen sieht.

Wann wurde die parlamentarische Gruppe Print + Kommunikation gegründet?

Ständerat Damian Müller: Die Gruppe wurde am 1. Januar 2015 gegründet. Bereits 2012 wurde unter der Federführung von viscom, dem Arbeitgeberverband der schweizerischen grafischen Industrie, die parlamentarische Gruppe Print, Medien, Papier ins Leben gerufen.
 
Wie viele Mitglieder hat sie?
Insgesamt sind es elf Vertreterinnen und Vertreter aus fünf verschiedenen im Parlament vertretenen Parteien: fünf von der Mitte, drei von der FDP, je eine von SVP, GLP und Grüne.
 
Wie regelmässig tagt die Gruppe?
Es gibt einen fixen Sitzungsrhythmus. Stehen aktuelle politische Geschäfte an, tauschen sich die Mitglieder der Gruppe auch informell aus.
 
Seit wann sind Sie (zusammen mit Nationalrat Alois Gmür) Co-Präsident?
Ich habe das Co-Präsidium 2019 übernommen.
 
Wie sind Sie zu diesem Amt gekommen?
Ich sitze im Verwaltungsrat der SWS Medien in Willisau. Somit bin ich mit der Branche und deren Problemen vertraut. Es ist meines Erachtens zentral, dass bei solchen Mandaten die eigene Fachkompetenz und Erfahrung eingebracht werden können.
 
Haben Sie familiär einen grafischen Hintergrund?
Nein, aber ich schätze den Wert einer starken grafischen Industrie als hoch ein.
 
Worin besteht der Unterschied zwischen einer parlamentarischen Gruppe und einer Kommission?
In einer parlamentarischen Gruppe sind sämtliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier verbunden, die sich für das betreffende Thema interessieren. Es findet nicht – wie in einer Kommission – die Vorbereitung für parlamentarische Geschäfte statt.
 
Irrtum vorbehalten ist die parlamentarische Gruppe Print + Kommunikation in der Schweiz weltweit eine Einzigartigkeit – oder kennen Sie in anderen Demokratien ähnliche Gruppierungen auf Parlamentsebene?
Nein, aber das politische System der Schweiz mit einem Milizparlament ist geradezu prädestiniert für parlamentarische Gruppen wie jene zu Print + Kommunikation.
 
Was sind Zielsetzungen der Gruppe?
Wir setzen uns ein für günstige Rahmenbedingungen für die Kommunikationsindustrie und die grafische Industrie im Speziellen.
 
Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?
In der parlamentarischen Gruppe geht es vor allem um die Information und den Austausch. Daraus entwickeln sich allenfalls konkrete politische Schritte.
 
Welche Ziele haben Sie bereits erreicht?
Im Ständerat ist es gelungen, die Motion Christ, die verlangte, dass die heutige gut funktionierende Opt-Out-Lösung für unadressierte Werbung in Briefkästen mit dem Kleber «Bitte keine Werbung» durch eine Opt-in-Lösung ersetzt werden sollte, abzulehnen. Ebenso wurde die Motion Juillard sistiert, weil eine Reihe von Vorstössen auf dem Tisch liegt, die sich mit dem Thema der postalischen Grundversorgung befassen. Zudem haben wir uns für die Annahme der Motion Müri engagiert.

Welche konkreten Aufgaben/Anliegen verfolgen Sie momentan in der Gruppe?
Wie gesagt, geht es vor allem um den gegenseitigen Austausch. Unsere konkrete politische Arbeit erfolgt in enger Absprache mit viscom.
 

Wie schätzen Sie den (politischen) Einfluss einer solchen parlamentarischen Gruppe ein?
Die Diskussion zu einem bestimmten Thema über die Parteigrenzen hinaus erachte ich als sehr wertvoll. Es kommt immer wieder vor, dass aus diesem Austausch heraus ein konkretes politisches Anliegen verfolgt wird.

Am 13. Februar 2022 lehnten die Schweizerinnen und Schweizer mit 55:45 Prozent ein Medienpaket ab, das vorgesehen hatte, Zeitungen verbilligt zuzustellen, Onlinemedien neu zu fördern und allgemein mehr Mittel für Fördermassnahmen des Mediensystems bereitzustellen. Statt 287 Millionen tragen die jährlichen Unterstützungsmassnahmen damit weiterhin 136 MillionenFranken. Was ging Ihnen an jenem Abstimmungsabend durch den Kopf?
Persönlich habe ich mich für ein Ja zum Medienpaket engagiert, weil ich überzeugt bin, dass vor allem die regionalen Medien eine wichtige Rolle bei der Informationsvermittlung einnehmen. Mir ist es ein Anliegen, dass wir die regionalen Medien weiterhin stärken.

Im Abstimmungskampf argumentierten die Gegner des Medienpakets, die Unterstützung und Förderung gedruckter Zeitungen sei Artenschutz für Dinosaurier. Wie halten Sie solchen Argumenten entgegen?
Printprodukte sind nach wie vor sehr beliebt und keinesfalls vom Aussterben bedroht. Drucksachen, in welcher Form auch immer, stehen für glaubwürdige Botschaften. Die Schweizerinnen und Schweizer lesen nach wie vor gerne Zeitung auf Papier. Print und Online ergänzen sich, und beide Kanäle haben ihr Vorzüge. Das Online-Geschäft ist stark von international tätigen Konzernen geprägt. Umso wichtiger ist es, den regionalen Medien gezielte Unterstützung zu bieten.

Sie sind Mitglied der Partei FDP.Die Liberalen, die traditionell den Marktmechanismen einen hohen Stellenwert einräumt. Warum wollen Sie als Liberaler nicht auch bei den Medien ganz einfach den Markt spielen lassen?
Der Medienmarkt spielt, und das ist auch gut so. In einer kleinräumigen Demokratie wie der Schweiz mit vier Landessprachen ist es jedoch sinnvoll, dass wir lokale Angebote unterstützen.
 
Für wie wichtig für den politischen Diskurs in der Schweiz mit ihrer in der Welt einmaligen direkten Demokratie und regelmässigen Volksabstimmungen erachten Sie den Erhalt der Medienvielfalt?
Bei Abstimmungen spielen die Medien eine zentrale Rolle. Viele Wählerinnen und Wähler wollen sich vertieft über eine Thematik informieren und nicht bloss die Schlagworte an den Plakatwänden lesen. Gerade in einer direkten Demokratie sind die Medien zur Informationsvermittlung besonders wertvoll.
 
Zur Medienvielfalt tragen ja auch die unzähligen Social-Media-Kanäle bei. Warum sind Ihrer Ansicht nach Printmedien trotzdem wichtig? Oder anders gefragt: Warum braucht es für die politische Bildung der Stimmbürger(innen) einen Medienmix?
Im Online-Bereich werden regionale Aspekte oft deutlich weniger stark gewichtet. Ein optimaler Medienmix garantiert eine umfassende Meinungsbildung. Dazu gehört auch ein breites Angebot an Printprodukten.
 
Sehen Sie eine Gefahr für die politische Willensbildung, wenn sich immer mehr Stimmbürger(innen) über Social Media informieren statt Zeitung zu lesen (Stichwort Fake News)?
Die Informationsvermittlung erfolgt nach wie vor stark über die klassischen Medien. Gemäss der Untersuchung MACH-Basic informierten sich 2020 4,93 Millionen Menschen über die Tages-, regionale Wochen- oder Sonntagspresse. Dies im Vergleich zu 2,9 Millionen Menschen, die sich täglich online informierten.
 

Sie sind auch Mitglied der vor einigen Monaten gegründeten viscom/p+c Arbeitsgruppe Politik. Diese koordiniert gemäss der Website von viscom/p+c das politische Lobbying zwischen der grafischen Branchenorganisation und der Politik. Decken sich die Zielsetzungen mit der parlamentarischen Gruppe Print + Kommunikation?
Die viscom/p+c-Arbeitsgruppe bespricht unter anderem die traktandierten Geschäfte der eidgenössischen Räte und analysiert diese bezüglich der Relevanz für die Branche. Gemeinsam werden dann mögliche Massnahmen oder politische Interventionen besprochen. Insofern geht die Zusammenarbeit Hand in Hand. Generell beobachtet die Arbeitsgruppe Politik die Aktivitäten der Post im Bereich der Verlagsservices und beim Angebot von Drucksachen für Endkunden sehr aufmerksam.

Wie sehen Sie die Zukunft der grafischen Branche in der Schweiz im Allgemeinen und von Printprodukten im Besonderen?
Die grafische Industrie durchlebt bereits seit Jahren eine Marktbereinigung. Diese ist gemäss Schätzungen von viscom noch nicht zu Ende. Hier ist sicher wichtig, dass die Unternehmen ihr Geschäftsmodell konsequent und regelmässig überprüfen und kritisch hinterfragen. Bei Printprodukten führt kein Weg an mehr Nachhaltigkeit vorbei. Die Kreisläufe der Branche sind geschlossen, Papier ist ein nachwachsender Rohstoff, der sich x-fach rezyklieren lässt. Hier muss die Branche die Nachhaltigkeitskampagne von viscom/p+c mittragen. Nur gemeinsam kann es gelingen, Print als nachhaltiges Medium zu positionieren.
 
Wie halten Sie es persönlich mit Print? Oder anders gefragt: Was lesen Sie ab Print, was elektronisch?
Ich lese eine Auswahl an regionalen und nationalen Tages- und Wochenzeitungen und würde mich als leidenschaftlichen Zeitungsleser bezeichnen. Elektronisch nutze ich selbstverständlich die wichtigen sozialen Medien.
 
Damian Müller persönlich
 
  • Geburtsdatum: 25. Oktober 1984
  • Wohnort: Hitzkirch (Kanton Luzern)
  • Beruf: Inhaber der MüPa.Beratung GmbH
  • Ständerat seit: 2015
  • Partei: FDP.Die Liberalen
  • Hobbys: Familie, Freunde, Lesen, Ausdauersportarten, Fussball, Pferdesport (früher aktiver Reiter, heute Speaker an verschiedenen Pferdesportveranstaltungen in der ganzen Schweiz).
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