Der Buchmarkt in Deutschland erzielte 2021 ein Umsatzplus. Das Online-Geschäft der Buchhandlungen legte weiter zu. Allerdings gehen Veränderungen im Konsumverhalten zulasten der Vielfalt bei Erstveröffentlichungen. Das erste Halbjahr 2022 ist von der Wirtschaftskrise, den drastischen Kostensteigerungen und Papierknappheit geprägt – deshalb liegt der Umsatz aktuell unter dem Vor-Pandemie-Niveau.
Die deutschen Buchhandlungen und Verlage haben die Corona-Krise bisher mit grossem Einsatz, Innovationsgeist und Kundennähe ganz gut gemeistert. Trotz der Pandemie stieg der Gesamtumsatz der Branche 2021 um 3,5 Prozent auf 9,6 Milliarden Euro. «Buchhandlungen und Verlagen ist es dank hoher Resilienz, kreativer Lösungen und ausgeprägter Digitalkompetenz gelungen, Menschen für das Lesen zu begeistern und sie – auch dank stabiler Logistik – trotz langer Lockdowns mit Büchern zu versorgen», sagt Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des
Börsenvereins. «Es stimmt mich auch zuversichtlich, dass gerade bei jungen Leser(inne)n die Nachfrage nach Büchern gross war.»
Mehr Bestellungen übers Internet
Allerdings kam es zu einer starken Verschiebung innerhalb der Vertriebswege. So hat der Sortiments-Buchhandel im Vergleich zum Jahr 2019 um 12,3 Prozent an Umsatz verloren. Für das Plus sorgte der Internet-Buchhandel. Davon profitierte aber nicht nur Amazon, sondern zwischen 2019 und 2021 stieg der Online-Umsatz des Buchhandels um 43,7 Prozent. Das unterstreicht einmal mehr, dass die Bemühungen zur Digitalisierung der Vertriebsaktivitäten Früchte tragen. Der Umsatzanteil von E-Books hält sich nach wie vor in Grenzen und liegt bei 5,7 Prozent des Gesamtumsatzes. Downloads und Abos von Hörbüchern verzeichnen jedoch Zuwachsraten von über 20 Prozent.
Trotz der positiven Umsatzbilanz im letzten Jahr hat die Corona-Pandemie Buchhandlungen und Verlagen wirtschaftlich zugesetzt. Karin Schmidt-Friderichs: «Die wachsenden Online-Umsätze der Buchhandlungen sind durch hohe Kosten für die logistische Abwicklung erkauft. Das verringerte bei vielen die Erträge, was in einer ohnehin margenschwachen Branche stark ins Gewicht fällt. Menschen kauften zudem gezielter und griffen häufiger zu Bestsellern und bekannten Autor(inn)en.» Aus der Statistik des Börsenvereins ist auch herauszulesen, dass es zu einer Bestseller-Konzentration kam. Alleine im letzten Jahr nahm der Verkauf der Top-10-platzierten Bücher um fast 24 Prozent zu.
Jugendliche geben mehr für Bücher aus
Interessant ist auch ein Blick auf die Zahlen, wie viele Bücher 2021 gekauft wurden. Rund 27 Millionen Menschen erwarben Bücher – das sind 5,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Diejenigen, die Bücher kauften, intensivierten aber ihre Käufe. Eine erfreuliche Entwicklung ist, dass in der Pandemiezeit die 10- bis 19-Jährigen ihre Ausgaben am deutlichsten steigerten – nämlich um 26,9 Prozent zwischen 2019 und 2021. Ausserdem ist die Kaufintensität bei der jüngsten Käufer(innen)gruppe deutlich angestiegen von im Schnitt 6,8 Büchern im Jahr 2019 auf 8,0 Bücher 2021.
Auf Kosten der Vielfalt
Aufgrund der monatelang geschlossenen Buchhandlungen fehlte den Kund(inn)en auch die Inspiration, neue Autor(inn)en zu entdecken. Das ist insofern beunruhigend, als diese Entwicklung auch auf Kosten der Vielfalt geht, die den Buchmarkt bisher auszeichnete. In Zeiten knapper Budgets setzen auch Verlage eher auf sichere Titel – das Abseitige, Mutige, Innovative kommt dann oft zu kurz. Die Wiederkehr von Präsenzveranstaltungen wie der
Frankfurter Buchmesse ist für die Branche essenziell. Sie steigern die öffentliche Aufmerksamkeit für Bücher und sind für die Geschäfte und Netzwerke in der Branche unverzichtbar.
Das spiegelt sich auch in der Anzahl der Erstauflagen wider. Diese gingen 2021 in Deutschland stärker zurück als in den Vorjahren. Sie sank von 69‘180 im Jahr 2020 auf 63‘992 Titel 2021 – das entspricht einem Minus von 7,5 Prozent. Besonders stark war der Rückgang in einigen Wissenschaftsbereichen. Überdurchschnittlich sanken ausserdem die Kinder- und Jugendbücher (–9,2 Prozent), weniger stark Belletristik-Titel (–3,1 Prozent).
Einschätzungen und Ausblick auf 2022
Das
Marktforschungsinstitut GfK attestierte im Juni 2022 dem Konsumklima ein neues Allzeittief. Die Käufer(innen)frequenz in den Innenstädten im Non-Food-Bereich liegt im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau immer noch bei einem Minus von 20 Prozent.
Daneben verzeichnen die Unternehmen der Buchbranche signifikante Preisanstiege bei Energie, Rohstoffen und Personal. Laut
Statistischem Bundesamt stiegen die Druckkosten für Bücher im Mai 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat um 21,1 Prozent. Im Dezember 2021 waren es noch 3,8 Prozent. Der Preis für grafische Papiere und Pappen steigt ebenfalls und lag im Mai 2022 58,2 Prozent über dem Vorjahresmonat. Als Faustregel gilt hier, dass rund 40 Prozent der gesamten Herstellungskosten eines Buches auf das Papier entfallen.
Diese Entwicklung schlägt sich bereits in der Halbjahresbilanz 2022 des Börsenvereins nieder. Nach den ersten sechs Monaten beläuft sich der Umsatzrückstand im Buchhandel vor Ort auf 11,1 Prozent und über alle Absatzwege (inklusive Online-Handel) auf 3,0 Prozent gegenüber 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Pandemie. Die Hoffnung der Branche liegt auf dem zweiten Halbjahr und speziell auf dem Weihnachtsgeschäft.
Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, betont in diesem Zusammenhang: «Es zeichnet sich mehr und mehr ab, dass sich die allgemeine Kaufzurückhaltung auch im Buchhandel niederschlägt. Daneben setzen steigende Kosten und Beschaffungsengpässe etwa beim Papier Verlage und Buchhandlungen unter Druck.»
Ihr
Knud Wassermann,
Chefredakteur «Graphische Revue»