16.04.2019 / Knud Wassermann

Kreislaufwirtschaft in der Druckindustrie

Spätestens seitdem die Europäische Union (EU) die Idee der Kreislaufwirtschaft in ihre Wachstumsstrategie aufgenommen hat, ist dieses Thema stärker in den öffentlichen Fokus gerückt. Ist die Kreislaufwirtschaft auch etwas, mit dem sich die Druckindustrie beschäftigen muss? Ja – und es gibt bereits erste Unternehmen, die die Idee aufgegriffen haben und in der Praxis erfolgreich umsetzen.

Das neue Kreislaufwirtschaftspaket der EU zielt auf Ressourcennutzung statt auf weiteren Ressourcenabbau ab. Zu den wesentlichen Eckpfeilern gehören Wiederaufbau von Naturkapital, Minimierung bzw. Eliminierung von toxischen Stoffen sowie Abschaffung von Müll durch umsichtiges Kreislaufdesign. Dabei wurden EU-weite Ziele, etwa für Recyclingraten von Haushaltsmüll, festgelegt. Dieser soll bis 2030 zu 65 Prozent in den Kreislauf rückgeführt werden. Soweit die groben Rahmenbedingungen. Natürlich muss jeder Industriezweig seine eigene Strategie entwickeln. 

Die Papier- und Druckindustrie hat in den letzten Jahren viel unternommen, um Druckprodukte nachhaltiger zu gestalten. Gerade bei der Papierherstellung setzt man verstärkt auf Zellstoff aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern, und auch die Recyclingrate ist in den letzten Jahren in Europa auf über 70 Prozent angestiegen. Angesichts solcher Zahlen, könnte man davon ausgehen, dass dies im Vergleich zu anderen Branchen reichen müsste. Und dann gibt es ja noch die Möglichkeit über den Kauf von Zertifikaten die Emissionen, die bei der Produktion angefallen sind, klimaneutral zu stellen. Versuchen Sie das einmal mit Ihrem Auto!
Quelle: epeaswitzerland.com

So würde die Natur drucken
Die Kreislaufwirtschaft wie sie beispielsweise unter dem Label «Cradle to Cradle» umgesetzt wird, geht jedoch noch einen Schritt weiter. Hier müssen alle Produkte so gestaltet sein, dass sie völlig unbedenklich für Natur und Mensch sind. Im Extremfall kann etwa ein Druckprodukt in den biologischen Kreislauf rückgeführt werden und wäre auch kompostierbar. Für eine Zertifizierung müssen alle in den Produktionsprozess einfliessenden Parameter von einem unabhängigen Institut bewertet werden. Die Komponenten des eingesetzten Materials werden auf Rezeptebene analysiert – und müssen gegebenenfalls vom Lieferanten angepasst werden.

Um den Weg zur Cradle-to-Cradle-Zertifizierung einzuschlagen, ist eine ordentliche Portion an Idealismus, aber auch Beharrlichkeit gefragt. Als mittlere Druckerei einen internationalen Papierhersteller dazu bewegen, seine Rezepturen offenzulegen, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen. Und die Bewertung aller Parameter durch ein unabhängiges Institut kann für eine einzelne Druckerei ganz schön ins Geld gehen. 

Der österreichische Öko-Pionier gugler* hat die Herausforderungen trotzdem angenommen und sich 2011 als erste Druckerei weltweit nach Cradle to Cradle zertifizieren lassen. «Wir drucken so, wie auch die Natur drucken würde und hinterlassen Nahrung für den Boden. Unsere Druckprodukte wurden für den Recyclingprozess so optimiert, dass die dabei anfallenden Schlämme wieder in den biologischen Kreislauf zurückfliessen können», sagt Ernst Gugler, Gründer und Geschäftsführer des Kommunikationshauses.

Was ist das Besondere?
Cradle to Cradle ist weltweit eines der anspruchsvollsten Zertifikate, wenn es um die ökologische Kreislaufwirtschaft geht. Allerdings will man sich nicht einfach auf die Aussage der Hersteller verlassen, dass keine verbotenen Stoffe in einem Produkt enthalten sind. Niemand weiss aber genau, welche Stoffe in den Produkten noch enthalten sind und welche toxikologischen Auswirkungen sie haben. Deshalb ist die Offenlegung der Rezepturen der Zulieferer so wichtig. «Angesichts des Dschungels an Ökosiegel, wollen wir Kunden Sicherheit in der Entscheidungsfindung geben», so Gugler.

Print-the-Change-Community
Um die Zertifizierungskosten auf mehreren Schultern zu verteilen und die Forschung im Schulterschluss mit anderen auch international vorantreiben zu können, hat gugler* 2015 die Print-the-Change-Community gegründet. Derzeit arbeitet die Schweizer Druckerei Vögeli und das dänische Unternehmen KLS mit gugler* gemeinsam an der Weiterentwicklung von Cradle to Cradle.

Immer mehr Kunden erkennen die Zeichen der Zeit und setzen auf ökologische Druckprodukte: McDonald’s in Dänemark etwa hat Cradle to Cradle für den Lebensmittelbereich entdeckt und lässt bei KLS drucken. Und auch Buchverlage stellen die Weichen in Richtung Ökologisierung. Der Kosmos-Verlag lässt eine eigene Kinderbuchreihe «Wer bist denn du?» in Cradle to Cradle drucken. Und auch der Random-Verlag steht seit Kurzem auf der Kundenliste von gugler*.

Kreislaufwirtschaft in anderen Branchen
Weltweit gibt es bereits Tausende von zertifizierten Produkten aus allen Bereichen: Bürostühle, Klopapier, Reinigungsmittel, Turnschuhe oder Sitzbezüge für Flugzeug- oder Autositze. So hat etwa der Textilhersteller Wolford in Cradle to Cradle produzierte Pullover und Strumpfhosen auf den Markt gebracht. Selbstverständlich wurden auch die Verpackungen in Cradle-to-Cradle-Qualität gedruckt, um so einen durchgängigen, stimmige Markenauftritt zu schaffen. Bis 2025 werden 50 Prozent aller Wolford-Produkte kreislauffähig sein. 

«Cradle to Cradle ist nicht nur eine Marketing-Story. Da wir auf eine komplette Wertschöpfungskette in unserer Region zurückgreifen können, lässt sich dieses Prinzip auch umsetzen», sagt Andreas Röhrich, Direktor Produktentwicklung & Innovation der Wolford AG. Dabei spiele die Verpackung eine grosse Rolle und sei für die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Produkte unabdingbar.

Auf Konsumentenseite ist einiges in Bewegung geraten, und die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Produkten nimmt laufend zu. Dabei wird eine komplette Durchgängigkeit sowohl bei der Produktion, der Verpackung, aber auch der gesamten Kommunikation erwartet. Cradle to Cradle ist hier ein Ansatz, um seine Nachhaltigkeitsbestrebungen am Markt noch stärker zu untermauern.

Mehr Infos finden Sie hier: printthechange.com


Ihr
Knud Wassermann
Chefredaktor «Graphische Revue»