16.03.2021 / Frank Baier

Auf die Klappe, fertig, los…!

Differenziert wird bei Büchern meist zwischen Hardcover und Softcover – doch dazwischen gibt es längst eine überdenkenswerte Alternative.
 
Vorbei sind die Zeiten, als wir nur zwischen dem preiswerten, gewöhnlich klebegebundenen Paperback mit vierseitigem Umschlag und dem preisintensiveren, festen Deckeneinband entweder mit oder ohne (Schutz-)Umschlag die Wahl hatten. Insbesondere Kunden aus der Verlagsszene forderten Alternativen bei der Ausführung ihrer Print-Publikationen. Deshalb haben sich so genannte Klappenbroschuren in verschiedenen Literaturgenres im Buchmarkt etabliert.
 
Belletristik oder Sachbücher, Architektureditionen oder Programmkataloge, Ratgebertitel oder Reiseführer überzeugen die Leserschaft mit der praktischen Aufmachung und Handhabung und vereinfachen mitunter sogar die beliebte Lektüre. Besteht doch ein kleiner Vorteil darin, dass eine Klappenbroschur, die man wie jedes andere Buch zwischen zwei beliebigen Seiten aufschlägt und zuschlägt, kein Buchzeichen bzw. Lesezeichen braucht – denn dafür gibt es eben die Klappen.
 
Wettbewerbssieger Klappenbroschuren
Derweil sind Klappenbroschuren, für deren Herstellung Müller Martini das Frontschnittaggregat FA 650 anbietet, überall im Buchhandel zu finden – manche Bücher in dieser Ausführung sind sogar mehrfach ausgezeichnet worden. Jährlich kürt die Stiftung Buchkunst beispielsweise die «Schönsten deutschen Bücher». Einzelne der in diesem traditionellen Wettbewerb ausgezeichneten Publikationen sind Softcover mit Klappenumschlägen in gestalterisch vielfältigen Facetten.
 
«Auftritt Appenzell» von Scheidegger & Spiess erschien 2018 als luftig-leichte Annäherung an die spezielle Identität des Landstrichs in der Schweiz. Durchweg warme Farben auf weichem Naturpapier, offene Fadenheftung mit rotem Garn sowie rot geprägte Schrift auf dem Klappenumschlag verschmelzen zu einem Ensemble.
 
Auseinanderfalten als Herausforderung
Vielleicht haben die Buchgestalter im Jahr 2019 vor Arbeitsbeginn für die neue Publikation «Domizile auf Zeit» desselben Verlags ein lautstarkes «Auf die Klappe, fertig, los…!» gerufen. Neugier schafft der in sämtliche Richtungen, meist nach oben und nach unten aufklappbare Papierumschlag – und stellt die Leser gerade deshalb vor wahrlich keine einfache Aufgabe. Immerhin wurde der Rücken der in stabiler Fadenheftung produzierten Klappenbroschur fest in den Umschlag eingehängt. Apropos Inhalt: Die Autoren des optisch beeindruckenden Werks porträtieren insgesamt 30 Rückzugsorte für künstlerisches Schaffen in der Schweiz.
 
Eine auffällige Publikation schufen die Initiatoren der Ludwigsburger Schlossfestspiele 2020 mit dem in Fadenheftung gefertigten Programmkatalog. Wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde jedoch leider nichts aus dem Event. Neon-Farbtöne in Orange, Violett und Grün ziehen sich vom Umschlag der offenen Schweizer Broschur über die Innenseiten der Umschlagklappen durch das gesamte «Fest Spiel Buch».
 
Kunstorientierter Klappenumschlag
Einen etwas sehr sperrigen Titel hat das im Jahr 2020 gekürte Werk von Spector Books: «Demonstrationsräume. Künstlerische Auseinandersetzung mit Raum und Display im Albertinum», Begleit-Publikation zweier Ausstellungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Kunstfreunde sollten den Klappenumschlag der Englischen Broschur komplett vor sich ausbreiten. Dadurch lassen sich wie Folien übereinander gelegte Farbflächen, Fotos und Texte besser enträtseln, wie die Jury des Wettbewerbs meint.
 
Last but not least: Heute kann der Klappenumschlag als Schmuck- oder Schutzelement dienen oder eher aufgrund aufgedruckter Informationen einen zusätzlichen Nutzwert haben. Doch es muss nicht immer wie etwa bei Belletristik, Sachbüchern oder Fachliteratur «nur» der Inhaltsüberblick, das Autorenporträt oder die Verlagswerbung sein.


Ihr 
Frank Baier
Chefredakteur «Bindereport»


Bildquelle: Silvia Werfel