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01.10.2019 / Ronald Reddmann

Expertentipp: Wechselwirkung zwischen Druckfarbe und Klebstoff

Sie verarbeiten Papiere weiter, die vollflächig im Offset mit mineralölhaltigen Druckfarben bedruckt sind? Oder es kommen Digitaldruck-Systeme zum Einsatz, in denen mit sogenannten Fuser-Ölen gearbeitet wird? Je nach Technologie können diese für den Druckprozess relevanten Substanzen einen wesentlichen Einfluss auf die Haltbarkeit der Klebebindung haben.

Zunächst der konventionelle Anwendungsfall im Bogenoffset-Druck. Fakt ist: Die in der Druckfarbe enthaltenen Mineralöle dringen während des Trocknungsprozesses zum grössten Teil in das Papier oder den Karton ein. Der im Papier verbleibende Mineralanteil hängt dabei vom Flächendeckungsgrad der Druckfarbe ab. Je nach Farbanteil kann dann pro Quadratmeter Papierfläche mehr als ein Gramm Öl vorhanden sein.

Möglichst lange lagern
Doch was für einen Einfluss hat das auf die Klebebindung? Zwischen den mineralölhaltigen Offsetdruckfarben und Hotmelt-Schmelzklebern besteht eine gewisse Affinität. Das bedeutet, dass die Mineralöle in den Klebstofffilm wandern können. Das Problem dabei ist, dass sich dadurch im Laufe der Zeit die Klebkraft reduzieren kann. Einen wichtigen Tipp kann ich Ihnen dazu schon einmal geben: Eine grosse Rolle spielt es, wie die Bogen vom Druck bis zum Klebebinden gelagert werden. Je länger die Lagerung möglich ist – am besten 48 Stunden oder länger –, desto kleiner ist das Risiko für einen späteren Schaden am Buch.

Klebeflächen aussparen
Sehr sinnvoll ist es auch, bei vollflächig bedruckten Seiten im Bundsteg eine Aussparung der Farbflächen im Bereich des Rückens zu machen. Somit wird ein direkter Kontakt zwischen Druckfarbe und Klebstoff vermieden, was das Risiko der Öl-Migration direkt in den Rückenleim hinein reduziert. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass das nicht immer ausreicht. Es ist also trotzdem Vorsicht geboten.
 
Welche Klebstoffe?
Auf jeden Fall sollten bei solchen Produktionsaufträgen nur Schmelzkleber mit hoher Mineralölresistenz verarbeitet werden. Heute gibt es noch keine Möglichkeiten, EVA-Schmelzkleber mit absoluter Mineralöl-Resistenz herzustellen. Ausnahme ist hier Polyurethan-Klebstoff. Selbst wenn also wirtschaftliche Überlegungen für den Einsatz von EVA-Schmelzklebern sprechen, rate ich Ihnen für die Klebebindung mit «riskanten» Farbaufträgen, Dispersionsklebstoffe oder PUR-Klebstoffe zu verwenden. Sie weisen gegenüber den Substanzen der Druckfarben eine höhere Resistenz auf. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, bei Ihrem Klebstofflieferanten eine entsprechende Beratung oder Gewährleistung einzuholen. 
 
Werden die klebegebundenen Produkte zusätzlich noch in luftundurchlässige Folie eingeschweisst, steigt das Risiko für einen Schaden. Denn die Folie bildet einen geschlossenen Dampfraum, in dem die Mineralölteile langfristig wirksam bleiben. Abgesehen davon, dass der PUR-Klebstoff die Umgebungsluftfeuchte auch benötigt, um auszuhärten.

Das Kritische beim Thema Ölmigration ist, dass die daraus resultierenden Schadensfälle meist erst nach einer längeren Zeitspanne auftreten, sprich, wenn die Produkte längst auf dem Weg zum Kunden oder bereits dort sind. Kurz nach der Produktion sind sie in der Regel noch nicht erkennbar.
 
Rollenoffsetdruck
Der Vollständigkeit halber werfen wir noch kurz einen Blick auf den Rollenoffsetdruck. Die oben beschriebene Problematik besteht hier nicht, da die mineralölhaltigen Substanzen durch die Heisslufttrocknung zum grössten Teil verdampfen. Dafür kann die verwendete Heatset-Trocknung bei der Weiterverarbeitung im Klebebinder zu Problemen führen. Denn das Papier kommt nach der Trocknung praktisch ohne Restfeuchtigkeit aus dem Trockner raus. Das führt dazu, dass reaktive Schmelzkleber sich verzögert vernetzen oder dass es nach dem Binden eine Wellenbildung gibt, weil das Papier dann wieder Feuchtigkeit aufnimmt. Deshalb ist es wichtig, das Papier nach der künstlichen Trocknung wieder zu befeuchten, so dass der absolute Feuchtigkeitsgehalt mindestens drei bis vier Prozent beträgt.
 
Fuser-Öl im Digitaldruck
Jetzt zum Digitaldruck! Wird hier Fuser-Öl eingesetzt, zeigen sich ähnliche, jedoch nicht exakt identische Fehlerbilder. In der Regel kann man hier sofort sehen, dass ein Klebstoff nicht hält. Es kommt also nicht zu einer zeitlichen Verzögerung – wie bei der Mineralölmigration. Am eindrucksvollsten ist dies immer erkennbar, wenn man den Seitenleim vollflächig von der bedruckten Fläche abziehen kann. Nicht untypisch sind leider auch Klebstoffeinläufe, die nach bisherigen Erkenntnissen höchstwahrscheinlich von den Oberflächenspannungen der Fuser-öl-benetzten Druckbereiche herrühren.
 
Ölresistente Klebstoffe
Auch hier gilt im Prinzip: Verwenden Sie möglichst ölresistente Klebstoffe (PUR) und streben Sie druckfreie Bereiche an. Wenn dies designtechnisch möglich ist – Stichwort Bildüberläufe bei Fotobüchern! Generell gilt: Der Rückenbearbeitung muss besonderes Augenmerk gewidmet werden. Hier kann es sein, dass man bei den Werkzeugen Einstellungen vornehmen muss, die vom Standard abweichen. Eine regelmässige Kontrolle und Wartung der Werkzeuge ist ebenfalls Grundvoraussetzung, um nicht hinterher mit Reklamationen zu kämpfen.
 
Natürlich wäre es im Digitaldruck auch ideal, die Produkte länger liegen zu lassen, damit die Öle entweichen können. Doch gerade hier muss es ja oft schnell gehen. Polyolefin-Schmelzklebstoffe können da eine interessante Alternative zu klassischen EVA-Hotmelts darstellen. Sie sind hitzebeständiger und nehmen deutlich mehr Bestandteile aus den Druckfarben auf, ohne dass es negative Auswirkungen auf die Blattkantenfestigkeit hat. Doch sind sie keine gleichwertige Alternative zu den bekannten PUR-Klebstoffen, da PUR neben Kaltleim immer noch die höchsten Pullwerte und die höchste Resistenz gegenüber Druckfarbensubstanzen hat.
 
In allen Fällen gilt: Die Verarbeitung kritischer Materialen braucht den engen Dialog zwischen Anwender, Maschinenhersteller und Klebstoff- sowie Papierlieferant.
 
Ich hoffe, diese Tipps helfen Ihnen dabei, noch bessere, langlebige Bücher auf unseren Klebebindern herzustellen. Und sollten Sie dazu noch Fragen haben, dann helfe ich gerne weiter!
 
 
Herzliche Grüsse,
 
Ronald Reddmann
Produktmanager Klebebindesysteme
Müller Martini