17.11.2020 / Knud Wassermann

Der Buchmarkt kämpft sich zurück

2019 war durchwegs ein gutes Jahr für das Buch, und die Branche ist mit viel Optimismus ins Jahr 2020 gestartet. Doch mit der Corona-Krise und dem damit verbundenen Lockdown und der Schliessung der Buchhandlungen verzeichnet der Markt über alle Segmente hinweg drastische Einbrüche. Seit Juni hat der europäische Buchmarkt jedoch zu einer beachtlichen Aufholjagd angesetzt. Wie gross das Minus für 2020 ausfallen wird, hängt letztlich vom Weihnachtsgeschäft ab.
 
Der französische Buchmarkt beispielsweise verbucht nach Ablauf der ersten drei Quartale einen Umsatzrückgang von minus 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Während des Lockdowns lagen die Verluste noch bei minus 66,8 Prozent. Seit der Wiedereröffnung der Geschäfte drehten die Werte aber deutlich ins Plus. Spanien, die Schweiz und Portugal hatten in den ersten Wochen des Jahres 2020 sogar Zuwächse eingefahren, die in Spanien bei beachtlichen 2,9 Prozent lagen. Während der Ausgangsbeschränkungen brachen die Einnahmen dann um teilweise mehr als die Hälfte ein und konnten sich in der Post-Lockdown-Phase noch nicht vollständig erholen.
 
In der Schweiz haben die Umsätze in den vergangenen Monaten auch wieder an Boden gewonnen, sodass die Gesamteinbussen aktuell nur noch bei minus 2,9 Prozent rangieren. Auch in Spanien und Italien sind die Verluste der ersten neun Monate dank der anhaltenden Leselust über den Sommer hinweg mittlerweile auf minus 11,0 bzw. minus 3,8 Prozent geschrumpft. Die grosse Überraschung ist der niederländische Buchmarkt, der Ende September sogar insgesamt ein Plus von 5,8 Prozent vorweisen konnte. Alle Zahlen stammen von der Growth from Knowledge Entertainment und wurden im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse im September erhoben.
 
Der Buchhandel hat sich besser geschlagen als die Gesamtwirtschaft
Deutschland, der grösste europäische Buchmarkt, vermittelt laut dem «Branchen-Monitor Buch» ein ähnliches Bild. Die durch den Lockdown bedingten Umsatzrückgange waren teilweise dramatisch – im April lagen sie bei 33 Prozent. Seit Juni geht es aber kontinuierlich aufwärts. Bis Oktober lag der Absatz an Büchern bei minus 5,4 Prozent, aufgrund der Preissteigerung von 1,9 Prozent lag der Umsatzrückgang bei einem Minus von 3,5 Prozent. Im Sortimentsbuchhandel mit einem Umsatzminus von 7,9 Prozent (kumuliert Januar bis Oktober) spiegelt sich die Gesamtentwicklung noch nicht komplett wider – doch auch hier ist die Tendenz steigend. Insgesamt hat sich der Buchhandel besser geschlagen als die Gesamtwirtschaft.
 
Beim Blick auf die Warengruppen über alle Vertriebswege hinweg stechen im Oktober wie bereits im Vormonat die Kinder- und Jugendbücher sowie die Belletristik hervor. Die Kinder- und Jugendbücher sind seit Monaten auf der Erfolgsspur und können aktuell mit einem Plus von 11,3 Prozent glänzen. Die Belletristik ist mit einem Umsatzplus von 8,6 Prozent im Oktober der zweite grosse Gewinner. Betrachtet man die ersten zehn Monate des Jahres 2020, so verbuchen jedoch lediglich die Kinder- und Jugendbücher ein Plus von 6,8 Prozent. Als umsatzstärkste Warengruppe weist die Belletristik kumuliert ein Minus von 2,3 Prozent auf. Fast logisch ist, dass Reisebücher in Zeiten corona-bedingter Reisebeschränkungen besonders hart getroffen wurden – das Umsatzminus liegt hier bei 25,8 Prozent.
 
«Die grosse Nachfrage nach Kinder- und Jugendbüchern in den vergangenen Monaten macht deutlich, dass Bücher in Krisenzeiten auch in diesem Bereich eine wichtige Funktion übernehmen: Sie bieten nicht nur Beschäftigung, sondern ermöglichen auch Bildung und geben Halt. Um auch künftig einen Beitrag für die Gesellschaft leisten zu können, braucht das Buch vor allem zweierlei: Sichtbarkeit und starke Rahmenbedingungen», betont Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des deutschen Buchhandels.
 
Die Umsatzdelle schliessen
Zur Frankfurter Buchmesse hat die deutsche Media Control erstmals eine Sonderauswertung zum Buchkauf pro Minute gemacht. Während im Lockdown deutlich weniger gekauft wurde, wurden in den vergangenen drei Monaten im deutschsprachigen Buchmarkt 794 Bücher pro Minute abgesetzt. Dies entspricht gegenüber 2019 einer Steigerung um 10 Prozent. Denn im vergangenen Jahr wurden im deutschsprachigen Buchmarkt noch durchschnittlich 715 Bücher pro Minute gekauft.
 
Der stärkste Monat im deutschsprachigen Buchmarkt war der August mit 871 Büchern pro Minute. «Die Media-Control-Daten zeigen, dass die Buchbranche mit allen Kräften versucht, die Umsatzdelle zu schliessen», betont Deniz Ulucan, Leitung Buch bei Media Control. Wie sich das gesamte Jahr für den Buchmarkt darstellt, hängt aber auch wesentlich vom bevorstehenden Weihnachtsgeschäft ab.
 
Würdigung des Buches durch die UNESCO
Eine indirekte Würdigung hat das Buch von der UNESCO erhalten. Die österreichische UNESCO-Kommission hat das Buchbinden als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Das Handwerk habe die Basis für die Einrichtung der Bibliotheken in aller Welt geschaffen und damit das Wissen für die Menschheit manifestiert und archiviert. Vor diesem Hintergrund gilt es jetzt, das Buchbinden für die internationale «Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit» zu nominieren und die Aufnahme voranzutreiben.



Ihr
Knud Wassermann
Chefredakteur «Graphische Revue»