19.10.2021 / Bernhard Grob

Vom Schriftsetzer zum Unternehmer zum Autor

Nahezu fünf Jahrzehnte verbrachte der schweizerisch-britische Doppelbürger Bernhard Grob in der Druckindustrie. Seine Erlebnisse – insbesondere auf Auslandreisen – schildert er ausführlich in einem selbstverlegten Buch, das im Print Finishing Center von Müller Martini gefertigt wurde, sowie in geraffter Form im folgenden Blog.
 
Als Bütschwiler, Toggenburger, St. Galler und Schweizer übersiedelte ich mit meiner englischen Frau und zwei Kleinkindern 1986 nach England, womit ich den unerwarteten Grundstein einer 30-jährigen Karriere für die englische und internationale Druckindustrie legte – doch mehr davon später.
 
Als 16-Jähriger Einstieg in die Druckindustrie
Mein Werdegang begann in Bütschwil, wo ich aufwuchs, die Schule besuchte und in vielen Sportarten mitmachte. Als 16-Jähriger begann ich die Schriftsetzer-Berufslehre in Wil mit wöchentlichem Schulbesuch in St. Gallen beim legendären Fachlehrer Noldi (Arnold) Hartmann, dem späteren Gründer des Typorama Museums in Bischofszell. Bleisatz war damals noch Trumpf, und wer erinnert sich noch an die «Bleiläuse», die man als Anfänger unter grossem Gelächter suchen musste?
 
Noldi brachte uns viel bei und ermutigte uns, zielstrebige Berufsleute zu werden – mit den Türen für Berufsmöglichkeiten und der grossen Welt weit offen. Dies zeigte sich deutlich einige Jahre später anlässlich einer seiner regelmässigen ehemaligen «Stiften»-Zusammenkünfte, als nur noch Einzelne im ursprünglichen Beruf tätig waren. Sein handgeschriebener Kalligrafie-Spruch «Es gibt nichts Gutes ausser man tut es» hat heute noch einem prominenten Platz in meinem Heimbüro.
 
Stetiges Lernen für ein berufliches Weiterkommen
Der Gautschfeier folgten die Rekrutenschule als Übermittlungsrekrut in Payerne und danach mein erster Job als Filmsetzer in Frauenfeld. Die vier Jahre Bleisatz und Buchdruck waren somit bereits ein «alter Hut» und mit Elan und Freude lernte ich die neue Technologie, die gleichzeitig eine Revolution in der Druckvorstufe einleitete.
 
Den nächsten Job hatte ich in Zürich als Setzereileiter und Korrektor, was mich mit Kunden wie Werbeagenturen in Verbindung brachte. Das stetige Lernen für ein berufliches Weiterkommen war wichtig, und ich drückte abends und samstags für viele Jahre die Schulbank, um meine Diplome als Kaufmann, Werbe- und Marketing-Fachmann zu erwerben.
 
Mit dem neugefüllten Rucksack bekam ich den ersten Job in einer Werbeagentur mit Übersiedlung nach Aarau und einige Jahre später in der Werbeabteilung einer weltweit exportierenden Industriefirma, ebenfalls in Aarau. Dieser Job ermöglichte mir ein mehrmonatiges Stage in Paris – meiner Lieblingsstadt, wo ich nicht die erhoffte französische Freundin, sondern meine zukünftige englische Frau kennenlernte. Der nächste und letzte berufliche Stopp in der Schweiz war in einer international tägigen Firma in Herisau, wo ich meine neuerworbenen Marketingkenntnisse umsetzen und die Managementleiter hinaufsteigen konnte.
 
Vom Etikettendruck fasziniert
Jung verheiratet mit zwei Kindern und einer Frau mit Heimweh entschlossen wir uns für die Übersiedlung nach England als nächste berufliche Herausforderung. Die drupa 1986 bot eine gute Gelegenheit, englische Ausstellerfirmen zu besuchen, um nach Job-Möglichkeiten Ausschau zu halten. Während der nachfolgenden Sommerferien in England besuchte ich mehrere Firmen, die ich an der drupa getroffen hatte. Daraus resultierten einige Jobofferten und somit die Frage, für welche Firma ich mich entscheiden sollte.
 
Die Etikettenbranche, neu für mich, begeisterte mich speziell, zumal es eine junge Industriesparte mit enormem Wachstumspotenzial war. Der Entscheid fiel auf Edale Ltd. – eine kleine Maschinenfabrik, die Flexo-Druckmaschinen herstellte. Als St. Galler erfuhr ich schnell, dass Gallus der Marktführer ist, aber ich sah keine direkte Konkurrenzsituation, zumal Edale damals kleine Flexo-Druckmaschinen für Etiketten-Neueinsteiger produzierte.
 
Den Exportanteil von 5 auf 90 Prozent gesteigert
Anfang 1987 begann ich in meinem Job in Südengland als Europäischer Verkaufs- und Marketing-Leiter die Firma und deren Produkte in Exportmärkten mittels Teilnahme an nationalen und internationalen Ausstellungen bekanntzumachen und nach geeigneten Vertretungen zu suchen. Der nur fünfprozentige Exportanteil bedeutete praktisch einen Exportaufbau von nahezu null, was jedoch aufgrund des starken Wachstums der Etiketttenindustrie kein allzu grosses Handicap war.
 
Das grössere Handicap war die finanzielle Situation des Unternehmens. Diese führte dazu, dass die Firma noch im selben Jahr kurz vor dem Ende war. Sie wurde aber glücklicherweise durch einen Geldgeber gerettet, der mir die Möglichkeit bot, Mitinhaber und Geschäftsführer zu werden. Davon hätte ich ein Jahr zuvor nicht zu träumen gewagt – ebenso wie vom in der Folge stark steigenden Exportanteil, der zum Zeitpunkt meiner Pensionierung 90 Prozent betrug!
 
30 Jahre im Flexo- und Etiketten-/Verpackungsdruck
Mein in englischer Sprache erschienenes Buch «Travelling the World for the Printing Industry» basiert auf meinen Reisejournalen, die ich während der 30-jährigen Reisetätigkeit geschrieben habe und umfasst 60 Länder. Mein neues Leben als Unternehmer war interessant, herausfordernd, zufriedenstellend und bereitete mir viel Freude und Spass. Mein Job war gleichzeitig mein Hobby, gemäss Aussage meiner Frau öfters in «Konkurrenz» mit dem Familienleben und dem Zuhause. Trotz allem feiern wir 2021 unser 40-Jahr-Hochzeits-Jubiläum.
 
Der Werdegang des Buches
Ein Geschäftsfreund, der von meinen Reisejournalen wusste, ermunterte mich, ein Buch darüber zu schreiben. Eine gute Idee, dachte ich – zumal ich wegen der bevorstehenden Pensionierung ja bald Zeit dazu haben sollte. Und etwas Neues anzupacken, soll ja gut sein. Schnell aber stellte ich fest, dass mehr dahinter steckte, als ich anfänglich dachte. Dies stoppte mich jedoch nicht – zumal weitere Freunde, die ich um Beiträge aus deren Geschäftsleben bat, ebenfalls positive reagierten.
 
Weil es sich mit der Druckindustrie befasst, hatte ich die Idee, das Buch während eines Grossanlasses wie beispielsweise der drupa 2020/21 live auf dem Stand eines Druckmaschinen-Herstellers zu drucken und ebenfalls auf dem Stand eines Weiterverarbeitungs-Maschinenherstellers zu fertigen. Ich kontaktierte Xeikon und Müller Martini, die beide positiv auf meine Anfrage reagierten. Was aber alle nicht ahnen konnten: Die Corona-Pandemie verhinderte dieses Vorhaben.
 
Zusammenarbeit mit Universität Reading
In meinem Berufsleben versuchte ich immer, junge Leute zu engagieren und ihnen Möglichkeiten zu geben, sich zu entfalten und weiterzukommen – so wie ich dies in meinen Berufsleben immer wieder erfahren durfte und davon profitieren konnte. So entstand der Gedanke, eine Universität mit einer Fakultät Typographie für die Gestaltung des Buches zu finden. Der Kontakt mit dem Leiter Typographie und Grafische Kommunikation der Universität Reading war ebenfalls positiv. Er zeigte sich sehr interessiert daran, dass seine Studenten kreativ an einem Live-Projekt arbeiten konnten.
 
Ein Uni-internes Ausschreiben führte zu mehreren Interessent(inn)en, und der Leiter rekrutierte eine Studentin im dritten Lehrjahr für das komplette Design des Buches. Diese Zusammenarbeit brachte der Studentin und mir enorm viel Freude und Spass, was man dem Buch sicherlich ansieht. Dies war denn auch der Grund meiner Entscheidung, das Buch nicht zu verkaufen, sondern den Erlös an den Nachwuchs in der grafischen Industrie zu spenden – mit der Typographie-Fakultät der Universität Reading als Hauptbegünstigte.
 
Xeikon für den Druck, Müller Martini für die Fertigung
Weil die drupa zweimal abgesagt wurde, fiel die Live-Produktion ins Wasser. Xeikon und Müller Martini waren aber von der Idee so begeistert, dass sie sich entschlossen, die Produktion in ihren Showrooms durchzuführen. Gleichzeitig gab es beiden Firmen die Möglichkeit, die neuen Druck- und Weiterverarbeitungs-Maschinen, die sie an der drupa vorstellen wollten, mit dieser Buchproduktion zu verbinden und anschliessend mittels eines Webinars im Xeikon Café Kunden weltweit vorzustellen. Somit erstreckte sich die Buchproduktion auf drei Länder: Belgien, Frankreich und die Schweiz. Das erforderte eine minutiöse Planung aller Beteiligten. Leider waren persönliche Besuche mit der Studentin, um die Produktion mitzuerleben, aufgrund der Pandemie-Reisebeschränkungen nicht möglich, was ich sehr bedauerte.
 
Ein toller Digitaldruck
Mit grosser Freude, Stolz und Zufriedenheit aller, die an diesem Projekt mitarbeiteten, landete das 355-seitige Buch Ende April 2021 auf meinem Schreibtisch. Ein toller Digitaldruck, der sich mit Offset mehr als nur messen kann, und eine ebenso perfekte Fertigung auf dem digitalen Buchproduktions-System SigmaLine III sowie dem Klebebinder Vareo PRO und Dreischneider InfiniTrim zum Endprodukt. Ein weiter Weg von der Zeit Gutenbergs und meiner Lehrzeit: elektronischer Transfer des rund 150’000 Wörter umfassenden Dokumentes an die Studentin mit Online-Auswahl der Schriftarten, Seitengestaltung, Umbruch, Integration von Fotos, Abbildungen und vieles mehr zum endgültigen Dokument.
 
Der elektronische Transfer des komplett gestalteten Buchinhalts und Buchumschlags gelangte von der Studentin mittels eines Files an Xeikon, deren Fachleute mit der Umsetzung für den digitalen Druck den nächsten Schritt veranlassten. Der Seiten-Ausschuss erfolgte in Absprache zwischen Xeikon und Müller Martini, um die korrekte Seitenfolge nach den verschiedenen Falzprozessen zu garantieren.
 
Komplexes Ausschiessen der Seiten
Der Digitaldruck erfolgte in Rollenform mit einer Papier-Bahnbreite von 500 mm – mit zwei Seiten nebeneinander und fortlaufend in linearer Richtung. Für die Weiterverarbeitung ab Rolle war somit das Ausschiessen der Seiten wesentlich komplexer als beim traditionellen Bogendruck – zumal das Falzen zu mehreren Blocks erfolgte, bevor diese dann zusammengetragen und mit dem Buchumschlag versehen und gebunden wurden. Für den vollautomatisch gesteuerten dreiseitigen Beschnitt zum fertigen Buch sorgte der Dreischneider InfiniTrim.
 
Als ehemaligem Schriftsetzer lag mir viel daran, eine gedruckte Länge eines Buches in Rollenform zu bekommen, um die verschiedenen Arbeitsprozesse zu dokumentieren und vor allem das Seiten-Ausschiessen zu verstehen.

Bernhard Grob: «DESTINATION – Travelling the World for the Printing Industry»

Bernhard Grob ist schweizerisch-britischer Doppelbürger und verbrachte je die Hälfte seines Lebens in der Schweiz und in England. Sein Einstieg in die Druckindustrie begann in den späten 60er-Jahren. Er war Mitinhaber und Geschäftsführer von Edale Ltd. und war nach seiner Übersiedlung nach England im Jahr 1987 bis zu seiner Pensionierung für diese Firma tätig.
 
 
Das Buch basiert auf Reisejournalen, die der Autor während 30 Jahren seiner weltweiten Reisetätigkeit in 60 Ländern auf allen Kontinenten geschrieben hat. Die Stories beinhalten technische Aspekte – mit Schwerpunkt zu schmalbahnigen Etiketten, Verpackung und kommerziellen Sicherheitsdruck während der goldenen Jahre der Etikettenindustrie. Weitere Artikel befassen sich mit historischen, politischen, sozialen und kulturellen Hintergründen sowie rein persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen. Das Buch umfasst 60 Länder in alphabetischer Reihenfolge und ist geschrieben für leichtes, entspanntes Lesen – gezielt für Leute aus der Druckindustrie und den Freundeskreis.
 
Das Buch wurde in Zusammenarbeit mit der Abteilung Typographie und Grafische Kommunikation der Universität Reading gestaltet, von Xeikon in Belgien und Frankreich auf deren SIRIUS und CX500 Digital gedruckt und von Müller Martini in Zofingen auf einer SigmaLine III/ Vareo PRO/InfiniTrim gefertigt.
 
Das Buch ist nicht im Handel erhältlich. Es kann aber für eine Spende bei Bernhard Grob bestellt werden. Die Spenden werden zur Unterstützung junger Leute in der grafischen Industrie verwendet – mit der Abteilung Typographie und Grafische Kommunikation der Universität Reading als Hauptbegünstigte.

Buch für eine Spende bestellen

 

Ich möchte mich an dieser Stelle herzlichst bei Müller Martini, Xeikon und der Universität Reading für deren grosszügige Unterstützung bedanken. Solch ein Projekt durchzuführen, war eine grosse Herausforderung und erforderte viel Effort – zumal dies nicht in einem kommerziellen Druck- und Weiterverarbeitungs-Unternehmen erfolgte, sondern inhouse, wo Improvisation und Koordination einen wichtigen Anteil am Erfolg des Buchs hatten.
 
Ihr
Bernhard Grob