03.05.2022 / Frank Baier

«Öko-Fashion» für das Buch

Kunststoff als Material für Printprodukte und Schreibwaren wird in Zeiten stärkeren Engagements für Nachhaltigkeit und Umweltschutz mit mehr Skepsis als bisher betrachtet. Inzwischen offerieren einige Hersteller und Zulieferer aus der Druckindustrie sowie der Papier-, Büro- und Schreibwaren-Branche aber manch überdenkenswerte Alternative.

Momentan können Bucheinbände und Buchschoner aus nachwachsenden bzw. recycelten Rohstoffen zusehends Aufmerksamkeit erzeugen. Daher sind grossteils aus nachhaltigen Ingredienzen bestehende, wasserfeste und abwischbare Kunststoffprodukte Alternativen zu Papier, Karton und Pappe. 

Zuckerrohr als Grundlage
Innovatives Beispiel dafür ist biobasiertes Polyethylen – gewonnen aus dem nachwachsenden Rohstoff Zuckerrohr. Nach der Ernte wird aus dem Zuckerrohr, das in jedem Wachstumszyklus Kohlendioxid aus der Atmosphäre bindet, biologisches Ethanol gewonnen, das zur Herstellung des «grünen» Polyethylens genutzt wird. Das trägt im Vergleich zu herkömmlichem Polyethylen, das aus fossilen Ressourcen produziert wird, zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen und zur Verbesserung der Öko-Bilanz bei. Darüber hinaus soll es dieselben Eigenschaften in Anwendung und Performance wie petrochemisches Polyethylen aufweisen.

Hygienisch hoher Standard
Folien für grafische Anwendungen beispielsweise in Archiven, Bibliotheken und Museen gibt es von Filmolux Deutschland, der Teil des Neschen-Konzerns aus Bückeburg ist. Neuheit des Hauses ist «Filmolux Soft Organic», die zu mehr als 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zuckerrohr-Polyethylen besteht. Angaben des Unternehmens zufolge erreicht der gemäss der Norm ISO 22196 durch das unabhängige Prüfinstitut QualityLabs getestete Artikel eine antibakterielle Wirkung und unterstützt damit Hygienekonzepte in Bibliotheken. 

Ferner ist die Folie konform zur Chemikalienverordnung REACH und demzufolge auch frei von Alkylphenolethoxylaten (APEO) und Bisphenol-A. Weichmacher enthalten weder der Klebstoff noch die Buchschutz-Folie selbst. Zudem soll sich gemäss Filmolux die Folie leicht auf glatten Oberflächen verkleben lassen. Und dank reduzierter Anfangshaftung dürften sich kleine Fehler bei der Verarbeitung einfach und schnell korrigieren lassen.

Sicherheit wie bei Spielzeug
Viele Schutzumschläge für Arbeits-, Fach- oder Schulbücher bestehen oft immer noch aus herkömmlicher Kunststoff-Folie. Zulieferer wie CoLibri System aus Düsseldorf offerieren stattdessen so genannte Buchschoner aus nachwachsenden Rohstoffen. Unter dem Begriff «ECO Cover» bietet der Spezialist Schutzumschläge für Bücher, die bislang zu 55 Prozent aus Zuckerrohr-Polyethylen bestehen. 

Gleichfalls setzt CoLibri System mit dem «ECO Shield Cover» – passend zur aktuellen Corona-Thematik – auf Schutz gegenüber Viren und Bakterien. Neuen, unabhängigen Studien zufolge dürfte die Oberfläche dieses Produktes aufgrund der mikroelektrostatischen Oberflächenspannung gegenüber dem «Vorgänger» deutlich weniger Angriffsfläche für Krankheitserreger bieten. Alle Buchschoner von CoLibri System sollen CE-zertifiziert sein, der geltenden Spielzeug-Norm entsprechen (denn Kinder sind bekanntlich Schulbücher-Leser) und recyclingfähig sein.

Recycelter Meeres-Plastikabfall
Zukünftig dürften aber auch aus recycelten Rohstoffen gewonnene Erzeugnisse Bedeutung erlangen. Aktuell ist Winter & Company aus Basel in der Schweiz mit recyceltem Meeresplastik auf dem Markt – dank der neuen Zusammenarbeit mit dem ebenfalls in Basel ansässigen Start-up Tide Ocean. Gemäss den Angaben der Partner eignet sich der Artikel «Toile Ocean» für die Fertigung von Bucheinbänden, Premium-Verpackungen und Schreibwaren. 

Hierfür schufen die Neugründer mit Wissenschaftlern der Hochschule für Technik in Rapperswil (Schweiz) eine Lösung: Plastikabfall an den Küsten von Thailand, den Philippinen und Indonesien wird gesammelt und sortiert, mechanisch zu einem Granulat verdichtet und zu einem Garn gesponnen. Daraus entsteht ein Kettenfaden aus recyceltem Polyester (rPET). Letztlich wird die Rückseite von «Toile Ocean» (anstatt mit Papier) mit wasserbasiertem Acryl beschichtet.

Ihr
Frank Baier 
Chefredakteur «Bindereport»
 
03.05.2022 Frank Baier Chefredakteur «Bindereport»