In den letzten Monaten und Jahren hat eine Reihe von bekannten Zeitschriften ihre Print-Versionen wieder aufleben lassen, auch gänzlich neue Titel kamen auf den Markt. Nach dem pandemiebedingten Einbruch scheint es nun wieder Platz für neue Print-Magazine zu geben. Aber auch Mischformen aus Katalog und Magazin, sogenannte «Megalogs», werden verstärkt in der Verkaufskommunikation eingesetzt.
Es sind vor allem globale Modetitel, Interior-Design-Magazine und sogar Lokalzeitungen, die ein Comeback feiern. Prominentes Beispiel dafür ist «
ELLE Australia». Vier Jahre nach der letzten Ausgabe kehrt die Modezeitschrift in diesem Jahr mit zwei Heften auf den Printmarkt zurück, für das Jahr 2025 sind bereits vier Ausgaben geplant. Jane Huxley, CEO von Are Media, die ELLE in Australien herausgibt, sieht zwei Hauptgründe für diesen Schritt: die anhaltende Markenstärke von Magazinen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und die Reaktion der Verbraucher auf die «digitale Informationsflut». Nicky Briger, General Manager Fashion and Beauty von Are Media, ergänzt: «Print erlebt weltweit ein Wiederaufleben, vor allem in der Luxus- und Modebranche. Wir freuen uns sehr, das beliebte Magazin wieder aufleben zu lassen – und den Leser*innen etwas Greifbares in die Hand zu geben, das man in aller Ruhe lesen und durchblättern kann.»
Print auf der Fussmatte
Dass insbesondere die Modeindustrie wieder verstärkt auf Print setzt, erklärt die Modejournalistin Alexandra Zagalsky folgendermassen: «Online-Shopping ist zeitaufwändiger geworden, was die Click-to-Buy-Bequemlichkeit, der wir anfangs alle verfallen waren, infrage stellt. Es gibt zu viel Auswahl. Wenn man bei Net-a-Porter nach einem schwarzen Kleid sucht, erhält man über tausend Ergebnisse.» Und Lee Cooper, Kreativdirektor der Luxusstrickwaren-Marke WoolOvers fügt hinzu: «Ein schönes Magazin, das auf der Fussmatte landet, ist oft wirkungsvoller als eine Überflutung mit E-Mails, Werbung auf sozialen Kanälen und aufdringlichen SMS.»
Auch das legendäre englische Musik-Magazin «
NME» hatte vor fünf Jahren seine gedruckte Ausgabe zugunsten eines reinen Online-Konzepts eingestellt und ist im Vorjahr wieder mit einer Zwei-Monats-Ausgabe in Druck gegangen. «Print war schon immer ein Eckpfeiler der Marke NME», betonte Holly Bishop, Chief Operating & Commercial Officer von NME Networks.
Darüber hinaus entstehen auch wieder gänzlich neue Zeitschriften. Laut dem Beratungsunternehmen «Wessenden Marketing» wurden im Jahr 2021 in Großbritannien etwa 163 neue Titel auf den Markt gebracht. Untersuchungen des Medienberaters und Professors für Journalismus Samir Husni zeigen ein ähnliches Muster in den USA – 2021 erschienen dort 122 neue Zeitschriften. Seiner Meinung nach ist auch im Publishing-Markt die «Veränderung die einzige Konstante», und wenn man diesen Ansatz verfolge, werde es auch in Zukunft Platz für neue Magazine geben. Manifestiert sich ein Trend, kommen meistens eine oder mehrere Zeitschriften auf den Markt, die das Thema in allen Facetten aufgreifen und abdecken.
Konzentration und Erfolg in der Nische
Obwohl die Neuerscheinungen von Magazinen thematisch oft sehr unterschiedlich ausgerichtet sind, haben die meisten von ihnen auch Gemeinsamkeiten: Sie sind in der Regel nischenorientiert, erscheinen in geringen Auflagen – zumeist nur viertel- oder halbjährlich –und sie stützen sich auf die Verkaufserlöse und nicht auf Werbeeinnahmen, was sich dann auch im hohen Verkaufspreis niederschlägt.
Dieser hätte allerdings einen kommerziellen Vorteil, meint Husni, da er es den Zeitschriften ermögliche, «sich viel stärker auf ihr Publikum zu konzentrieren und sich von der Aufgabe zu lösen, das Publikum an die Anzeigenkunden zu verkaufen». In vielerlei Hinsicht würden sich die Print-Magazine mit ihren Geschäftsmodellen zu kuratierten Nischenprodukten entwickeln.
Der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Stephan Weichert hält im Gespräch mit dem deutschen TV-Sender «
ndr.de» fest, dass aufgrund der Druckkosten sowie der Zustell-Thematik in den nächsten zehn Jahren viele Zeitungen vom Markt verschwinden werden, aber «bei Magazinen schaut die Welt doch etwas anders aus: Hier sind eine andere Lesequalität und Bereitstellungsqualität vorhanden. Publikumsmagazine oder Special-Interest-Magazine beispielsweise – das funktioniert in Print immer noch gut.»
Auf die Frage, wie man ein neues Magazin ausrichten müsse, um heute noch eine Chance auf dem Markt zu haben, antwortet Weichert: «Ich glaube, was immer noch gut zieht, sind gute Bilder, gute Gestaltung, hochwertige Ausstattung und vielleicht auch leichte inhaltliche Kost. Auf der anderen Seite gut gemachte, mit hohem journalistischem Anspruch produzierte lange Texte – auch das funktioniert. Etwa bei der Wochenzeitung «
Die Zeit», die nach wie vor eine hohe verkaufte Auflage für sich verbuchen kann.»
Programmatic Printing
Mittlerweile gibt es auch einen Trend hin zu Mischformen von Katalogen und Magazinen – dafür hat sich der Begriff «Megalogs» eingebürgert. Vor allem der Einzel-, aber auch der Versandhandel, setzen sehr stark auf diese Form der Kundenkommunikation, wie der deutsche Versandhändler «OTTO» betont. Zwar wurde der alles umfassende Mammutkatalog eingestellt, dennoch setzt OTTO weiterhin auf Kataloge in abgespeckter Form, die auf segmentierte Verbraucher-Präferenzen zugeschnitten sind. Smartes Katalogmarketing funktioniere heute nicht ohne Technik, versichert Dr. Nicolai Johannsen, VP Consumer Interactions, bei OTTO. «Wir ermitteln mithilfe von Datenprognosen die Sortimentsvorlieben, die Print-Affinität sowie die Kaufwahrscheinlichkeit von Nutzern und entscheiden auf dieser Basis, ob und welches Print-Format für einen Kunden geeignet ist. Im nächsten Schritt kommen personalisierte Werbemittel zum Einsatz, etwa eine Postkarte mit individualisierten Produktempfehlungen oder massgeschneiderte, saisonale Kataloge. Statt Giesskanne gibt es also datengetriebene Analysen und Scoring-Modelle, die bei der Entscheidung helfen, ob ein Print-Werbemittel zum Einsatz kommt oder nicht.»
Bleibt also die Hoffnung, dass aus dem zaghaften ein wirklich starkes, anhaltendes Comeback für den Magazinmarkt wird.