01.01.0001 / Knud Wassermann

Das gute alte Buch und die Generation Z

Am kommenden Sonntag ist der von der UNESCO ausgerufene Welttag des Buchs. Zum Leseverhalten der Generation Z – also jener Menschen, die zwischen 1999 und 2015 geboren worden sind – wurden schon zahlreiche Studien und Beiträge verfasst. Nicht wenige davon bringen in den ersten Zeilen ihre Überraschung zum Ausdruck, dass auch die Generation Z das gedruckte Buch nicht zu Grabe tragen wird.
 
Eine Trendstudie aus dem Jahr 2018 der IUBH Internationale Hochschule in Bad Honnef über das «Lese- und Schreibverhalten der Generationen X, Y und Z» wartet mit umfangreichem und teils – einmal mehr sei es erwähnt – überraschendem Datenmaterial auf. Umso erstaunlicher, als die Abgesänge auf das gedruckte Buch schon ganze Bände füllen. Allein die Daten der erwähnten Trendstudie sprechen aber eine andere Sprache.
 
Nur 8 Prozent lesen E-Books
Dass sich das gedruckte Buch seit Jahrzehnten gegen steigende Konkurrenz durch unterschiedlichste Neuentwicklungen im Medienbereich zu wehren hat, ist nicht neu. Ein Generationenproblem aber ist es nicht. Über alle Medien und Generationen hinweg lesen die Befragten am häufigsten Social-Media-Texte (32 Prozent), gefolgt von Büchern in Papierformat (29 Prozent) sowie Zeitungen und Zeitschriften in Papierformat (17 Prozent). E-Books – die einst vermeintlichen Totengräber des gedruckten Buches – werden lediglich von 8 Prozent angegeben.
 
Die Studie zeigt auch, dass die Unterschiede im Bereich «Bücher im Papierformat» zwischen den Generationen am geringsten sind. Die Generation X (die zwischen 1964 und 1976 Geborenen) führt diesen Vergleich an. Knapp dahinter folgt bereits die Generation Z (1995–2010). Die Generation Y (1977–1998) folgt mit etwas Abstand auf dem 3. Platz.
 
Laufpass für digitale Formate
«Gen Zers sind Bücherwürmer, aber sie meiden E-Books», ist in einem Artikel auf «World Economic Forum», der in Zusammenarbeit mit «Business Insider» publiziert wurde, zu finden. Gründe hierfür werden in der Überanstrengung der Augen, im Wunsch nach digitaler Entgiftung, in der Praktikabilität und in Social-Media-Trends wie #BookTok oder auf Instagram in Form des Accounts «Subway Book Review», die wir in früheren Blogs bereits vorgestellt haben, gesehen. Aber auch in ihrer Liebe zu Bibliotheken und um die örtliche Buchhandlung zu unterstützen, setzt die Generation Z auf das gedruckte Buch.
 
Der vielleicht überraschendste Trend, so der Artikel, ist aber die Art und Weise, wie die Generation Z Bücher konsumiert. Während sie ihre Freizeit in der Regel vor einem Bildschirm verbringt, deuten Daten und Interviews mit dem «Business Insider» darauf hin, dass dies nicht für das Lesen von Büchern gilt. Diese jungen Menschen geben in diesem Fall den digitalen Formaten den Laufpass und entscheiden sich für das zeitlose Taschenbuch.
 
Wie Untersuchungen von «Nielsen BookData» ergaben, waren für die befragten britischen Buchkäufer im Alter von 13 bis 24 Jahren im Zeitraum zwischen November 2021 und November 2022 gedruckte Bücher der bevorzugte Lesestoff. Auf diesen entfiel 80 Prozent der Käufe, während E-Books im selben Zeitraum nur 14 Prozent Marktanteil erreichten. Die jungen Leser(innen) der Generation Z wirken in ihren Begründungen, sich für das gedruckte Buch zu entscheiden, irgendwie charmant altmodisch.
 
Das gedruckte Buch hat zeitlose Vorteile
Näher an der Realität bewegt man sich jedoch, sucht man in besagten Begründungen weniger Sentimentalität als die zeitlosen Vorteile des gedruckten Buches. Das gilt für die Freizeitleser(in) am Strand ebenso wie für Student(inn)en im Zuge ihrer Ausbildung. Wang Sum Luk, ein 21-jähriger Student, der an der Universität Oxford Englisch studiert und mit der Benutzung von E-Books durchaus vertraut ist, bringt es auf den Punkt: «Die Augen werden beim Lesen nicht so stark beansprucht, und ich kann mich besser konzentrieren, wenn ich bei ausgeschaltetem Computer ein gedrucktes Buch lese.» Die Augenverträglichkeit des gedruckten Textes ist auch für Lili Dewrance ein wichtiges Argument. Die 23-jährige Londonerin sagte gegenüber dem Business Insider, dass ihr das Lesen eines E-Books keine Pause vom Bildschirm oder eine «digitale Entgiftung» erlaube.
 
Natürlich spielen nicht nur harte Fakten eine Rolle, wenn sich die Generation Z für das gedruckte Buch entscheidet. Lili Dewrance beschreibt die Annäherung an ein Buch: «Es macht mir Freude, mir einen neuen Roman zu gönnen, und ich geniesse es, meine örtliche Buchhandlung zu unterstützen. Ein Erlebnis, das es beim digitalen Download nicht gibt.»
 
83 Prozent der Kinder greifen lieber zum guten alten Buch
Auch in Deutschland und Österreich lesen täglich mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Kinder. Die Nachhilfe-Plattform «GoStudent» übertitelte eine Umfrage mit «Generation Z liest immer noch häufig – und zwar Buch statt iPad». Das geht aus einer Befragung hervor, die das Unternehmen anlässlich des Welttag des Buches in Deutschland, Österreich, Spanien und Frankreich durchgeführt hat. Rund 3000 Kinder zwischen 6 und 18 Jahren nahmen zwischen dem 13. und 19. April 2021 an der Umfrage teil. Die Ergebnisse zeigen, dass Lesen «unter» der Bettdecke immer noch in Mode ist.
 
35 Prozent der Kinder lesen am liebsten vor dem Einschlafen. Und während 31 Prozent der Kinder angeben, generell gerne in der Freizeit zu lesen, geben rund 30 Prozent an, es wäre ihnen egal, wann sie lesen würden. Nicht egal ist aber laut Befragung, in welcher Form ein Buch gelesen wird. 83 Prozent der Kinder in Österreich und Deutschland greifen demnach immer noch lieber zum guten alten Buch.
 
Ihr
Knud Wassermann,
Chefredakteur «Graphische Revue»
 
01.01.0001 Knud Wassermann Chefredaktor «Graphische Revue»