07.04.2020 / Knud Wassermann

Eine Weltreise durch den internationalen Buchmarkt

Die Vermessung der internationalen Buchmärkte 2019 ist zwar noch nicht ganz abgeschlossen, die vorliegenden Zahlen vermitteln für das vergangene Jahr aber ein durchwegs erfreuliches Bild. Für 2020 sind mit der globalen Ausbreitung der Corona-Krise alle Prognosen über den Haufen geworfen. Aber wann wenn nicht jetzt, ist ein guter Zeitpunkt, um zu einem Buch zu greifen?

In Europa lag das Umsatzplus 2019 zwischen 1 und 2,4 Prozent. Vor allem in Grossbritannien stieg der Umsatz mit gedruckten Büchern im vergangenen Jahr um 3 Prozent (191,6 Millionen Bücher/1,66 Milliarden Pfund). Die grossen Gewinner in Grossbritannien waren Sachbücher inklusive Ratgeber mit einem Plus 6 Prozent, wobei die Sparte Essen und Trinken ein Rekordjahr verzeichnete. Das Diät-Kochbuch «Pinch of Nom» wurde mit einer verkauften Auflage von über 1 Million Exemplaren zum absoluten Megaseller. 2019 war in Grossbritannien das fünfte Jahr in Folge mit einem Wertzuwachs und das zweite Jahr in Folge mit höheren Absatzzahlen.

Der spanische Markt verzeichnete 2019 mit 2 Prozent erneut ein Umsatzwachstum und verbuchte im Printbereich das sechste Jahr in Folge ein Wachstum. Trotzdem konnte man das Minus aus der Finanzkrise, die Spanien besonders hart getroffen hat, (noch) nicht wettmachen. 

Der deutsche Markt lag im europäischen Mittelfeld und verbuchen ein Plus von 1,4 Prozent. Auch Frankreich dreht dank des positiv verlaufenden Weihnachtsgeschäfts die Umsatzzahlen mit 1,3 Prozent in den Plusbereich. Wobei der Umsatzzuwachs in Europa Grossteils auf gestiegene Preise und nur zu einem geringeren Anteil auf ein tatsächliches Absatzplus zurückzuführen ist.

Den USA fehlte ein Bestseller
In den USA ermittelte NPD BookScan bei gedruckten Büchern ein Absatzminus von 1,3 Prozent. Allerdings muss man an dieser Stelle betonen, dass der Markt in den letzten fünf Jahren ein kontinuierliches Plus verbucht hat. Die Zahlen aus den USA zeigen aber auch, wie schwierig es ist, Markttrends von Sonderkonjunkturen zu unterscheiden. Bestseller wie die Biografie von Michelle Obama fallen nicht jedes Jahr vom Himmel. 2019 fehlte dem US-Buchmarkt eindeutig ein solcher Verkaufsschlager. Zu den positiven Trends in der Erwachsenenliteratur zählen Graphic Novels, die um 16 Prozent zulegten. Der konsolidierte Branchenumsatz pendelte sich bei 13,5 Milliarden US-Dollar ein.

In Brasilien brach der Verkauf von Büchern aufgrund des Konkurses der Buchhandelsketten «Saraiva» und «Livraria Cultura» um über 6 Prozent ein. Erfreulich ist, dass der Umsatz im Januar 2020 mit gedruckten Büchern um 8 Prozent über dem Wert im Januar 2019 lag und somit wieder einiges aufgeholt werden konnte. In China gehen bereits 70 Prozent des gesamten Handelsvolumens über die virtuelle Ladentheke. Zwar ging die Zahl der Neuerscheinungen laut OpenBook 2019 um 7 Prozent zurück, doch der Gesamtumsatz stieg im Vergleich zu 2018 um 14 Prozent auf fast 15 Milliarden US-Dollar an. 

Ein Ausblick in bewegten Zeiten 
Mit der globalen Ausbreitung der Corona-Krise sind alle Prognosen für 2020 über den Haufen geworfen – da ist der Buchmarkt keine Ausnahme. Das kulturelle und öffentliche Leben ist nahezu zum Erliegen gekommen und wurde auf die eigenen vier Wände beschränkt. Eigentlich der perfekte Zeitpunkt zum Buch zu greifen, um der ständig anhaltenden Nachrichtenlage zu entfliehen und die aufkommende Langeweile zu vertreiben. 

Doch ganz so einfach ist es nicht. Den Verlagen ist der stationäre Buchhandel abhandengekommen. Allerdings erlebte beispielsweise der deutsche Buchhandel noch vor der Verabschiedung der Corona-Massnahmen Hamsterkäufe, weil sich die Leute mit Lesestoff eindecken wollten. Klassiker wie der Roman «Die Pest» von Albert Camus erklimmen die Bestsellerlisten. Zuerst in Frankreich und Italien, aber auch in Deutschland ist der Titel nicht mittlerweile nicht mehr lieferbar, berichtet das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Deshalb legt der Rowohlt-Verlag gerade die 90. Auflage dieses berühmten Buchs auf.

Weil die Geschäfte in vielen Ländern geschlossen sind, versucht der stationäre Buchhandel, mit neuen Vertriebsformen zu punkten – und etwa den teilweise schon bestehende Online-Handel weiter auszubauen. Dabei werden teilweise die Versandkosten komplett übernommen, und einzelne Buchhändler haben sogar eine eigene Zustellung eingerichtet.



Bücher lesen – inspirierender Zeitvertreib
Im März und April gingen/gehen viele Verlage mit ihren Neuerscheinungen an den Start, was in dem aktuellen Umfeld nicht leicht ist. Einige Verlage haben die Erscheinungstermine nach hinten verschoben, und auch die thematische Planung der Programme muss angepasst werden. Bei Neuerscheinungen halten sich die Verlage weitgehend zurück, die Nachfrage nach Büchern ist aber durchaus vorhanden. So berichten einige dezidierte Buchhersteller von einer guten Auslastung – was teilweise auch auf Produktionsverlagerungen zurückzuführen ist. 

Ein Buch zu lesen, ist in Zeiten wie diesen ein angenehmer und hoffentlich inspirierender Zeitvertreib, aber gleichermassen ein wichtiger Schritt, um das Buch – und zwar das gedruckte – als Kulturgut zu erhalten.


Ihr
Knud Wassermann
Chefredaktor «Grafische Revue»