05.05.2020 / Frank Baier

«Schnittige» 3D-Objekte

Der heutzutage oft als Buchfarbschnitt bezeichnete Buchkantendruck ist eine wiederentdeckte Form der repräsentativen Veredelung von Büchern.

Tatsächlich ist der Buchfarbschnitt keine neue Möglichkeit: Bibelausgaben im Ledereinband mit Goldschnitt gehören seit jeher zu den besonders wertvollen Publikationen. Indessen sind auch Farbenvarianten filigraner Ornamentmuster auf Editionen von Romanreihen wieder verbreitet. Gegenwärtig erreicht diese Veredelung zahlreiche Literatur-Genres – Belletristik und Unterhaltung, Sachbücher und Kunstbücher – sowie zusätzlich neue Anwendungen im Corporate Publishing. 

Entscheidend ist jedoch für den Herausgeber und Verleger, nicht nur eine schlüssige Gestaltung von Umschlag bzw. Buchdecke und Buchblock festzulegen, sondern das Design vor Produktionsbeginn rechtzeitig mit den beauftragten Dienstleistern abzustimmen. Daraufhin können Hardcover und Softcover mit Buchfarbschnitt als farbige 3D-Objekte bei der Vielfalt an Publikationen auffallen und Kunden als auch Konsumenten begeistern. 

Nicht nur Umschlag, Buchdecke und Buchrücken 
Der Buchblock war als gestalterisches Element für die Aufwertung eines Buches aus dem Blickfeld von Illustratoren und Grafikdesignern lange Zeit verloren gegangen. Inzwischen ist das Geschichte. Veredelungen von Hardcover- und Softcover-Büchern diverser Genres beschränken sich mittlerweile nicht nur auf Umschlag, Buchdecke und Buchrücken. 

Zugunsten einer weiteren optischen Aufwertung lassen sich Buchschnittkanten nach dem Buchblockbeschnitt in beliebiger Form bedrucken. Einzelne Druckereien und Buchbindereien haben diese Form für sich entdeckt und hierfür selbstkonstruierte Maschinen der Marke «Eigenbau» genutzt. Inzwischen kommen Digitaldruck-Systeme einiger weniger Maschinenhersteller für die «neue» faszinierende Form der Veredelung zur Anwendung. 
Bereits seit 2018 soll der Hersteller Durrer Spezialmaschinen AG im schweizerischen Immensee seine neue Buchfarbschnitt-Anlage mehr als zehn Mal verkauft haben. «DIGI-B» ist für die Produktion bei 600 bis 1500 Stück Taktleistung pro Stunde konzipiert worden, wobei die Veredelung der Buchblocks im vollautomatischen Vier-Seiten-Inkjet-Druck in einem Ablauf erfolgt.

Werbezettelblocks im Vier-Seiten-Modus 
Damit können Formate von 50 x 50 mm bis 360 x 360 mm (optional 720 x 720 mm) verarbeitet werden – die sehr hohe Druckauflösung von 1600 x 1600 dpi dürfte überzeugend wirken. Zudem können sogar Werbezettelblocks im Vier-Seiten-Modus bis zum Format 78 x 78 mm in grossen Mengen individualisiert werden. 
Der erfahrene Spezialist für Goldschnitt-Maschinen, Ochsner + Co. AG aus Schmerikon ebenfalls in der Schweiz, fällt auch mit einer Buchfarbschnitt-Maschine auf. Herzstück ist ein UV-Inkjet-Druck-System mit 600 x 600 dpi Auflösung, das die Buchblocks von Stapel zu Stapel praktisch vollautomatisch abarbeitet. Demzufolge liessen sich mithilfe der Maschine «Typ IP» etwa 150 bis 200 Bücher pro Stunde bei einer Druckgeschwindigkeit von 40 – 50 Metern verarbeiten. Die Maschine ist für diverse Formate ausgelegt – von der Visitenkarte von 85 x 55 mm bis zum Buchblock von 420 x 420 mm –, die maximale Buchstärke beträgt 60 mm bei maximaler Druckhöhe von 54 mm, teilt der Hersteller mit. 

Flächendeckende Bilder ohne Rand 
Derweil bietet die Hamburger Firma S-Printer ein Buchkantendruck-System. Das Fachhandelshaus Schmedt hat es seit diesem Jahr im exklusiven Vertrieb. Geeignet ist das System «S2» sowohl für Auflage 1 als auch für höhere Auflagen. Während der ganze Prozess vollautomatisch abläuft, erfolgen nur das Einstellen der Buchdicke, das Anlegen und Abnehmen der Exemplare manuell. 
Das System nutzt wasserbasierte Inkjet-Druck-Technologie und erreicht eine Druckauflösung wahlweise von 1600 x 800 dpi oder 1600 x 1600 dpi. Insgesamt lassen sich bis zu 1000 Bücher pro Stunde verarbeiten. Die Buchdicke ist auf 220 mm und das Buchformat auf 350 x 350 mm begrenzt.

Laut Aussagen der Hersteller sind sogar flächendeckende Bilder ohne Rand oder das Buch umlaufende Bildmotive, Buchblocks mit steigendem Falz am Buchrücken oder abgerundete Buchblock-Ecken in technischer Hinsicht kein Problem.

Lesen Sie in diesem Artikel aus dem Müller Martini-Kundenmagazin «Panorama» 3/2018, mit welchen kreativen Hardcover- und Softcover-Lösungen sich Deutschlands führender Buchproduzent Kösel über die Landesgrenzen hinaus einen Namen als Innovationsführer gemacht hat.


Ihr
Frank Baier
Chefredakteur «Bindereport» 
 
05.05.2020 Frank Baier Chefredakteur «Bindereport»