06.04.2021 / Frank Baier

Schauen wir mal ins Fachbuch

Neue Fachliteratur zum Thema Buchbinden und Papierverarbeitung gibt es (fast) nicht mehr. Dafür setzen Neuerscheinungen eher auf den zunehmenden «Do-it-yourself»-Trend.
 
Wissen ist offensichtlich Macht – jedoch was nützt dieser Spruch? Einerseits sind Industrie- und Handwerks-Buchbinder die kleinste Berufsgruppe innerhalb der grafischen Branche. Andererseits gibt es gerade in diesem kleinen Bereich die zahlenmässig meisten und unterschiedlichsten Technologien. Machtlos fühlt sich heute jedenfalls derjenige, der sich bei der Fachliteratur-Recherche befindet. Dennoch muss auf der «Informationstour» differenziert werden: Neue Fachliteratur zur Industrie-Papierverarbeitung gibt es (fast) nicht – dafür Neuerscheinungen über das Buchbinder-Handwerk immer mal wieder.
 
Fachbücher vergangener Jahrzehnte
Schulbücher und Fachbücher zur Thematik steht im Verlag Beruf + Schule in Itzehoe zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen Fundus von über einem Dutzend Titeln aus den vergangenen 40 (!) Jahren. Neuste aktualisierte und bearbeitete Ausgaben stammen vom Beginn der 2010er-Jahre – darunter das knapp 800 Seiten umfassende Schwergewicht «Industrielle Buchbinderei» (Dieter Liebau/Inés Heinze) in 3. Auflage von 2010, das für zahlreiche Fachleute die «Buchbinder-Bibel der Serienfertigung» ist.
 
Weiterhin will sich der Verlag um Titelbearbeitungen und Neuerscheinungen zur Thematik bemühen. Dieses Ansinnen scheiterte bislang aber wohl an fehlenden professionellen Autoren.
 
Standardwerk über Drucktechnik
Fachleute jeglicher Abteilungen in Betrieben der grafischen Branche schauen im Zweifelsfalle in den «Teschner». Dessen Fachbuch «Druck- und Medientechnik» aus dem Christiani-Verlag in Konstanz wird gern als Standardwerk betrachtet. Was Helmut Teschner, Dipl.-Ing. (FH) Drucktechnik, der mehr als 35 Jahre Studiendirektor an berufsbildenden Schulen der Druckindustrie war, an Informationen gesammelt, resümiert und aufgeschrieben hat, findet sich in dieser Form nicht im Internet.
 
Nunmehr seit 2017 liegt die 14., sorgfältig überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage mit rund 1000 Seiten vor, in der Digitaldruck, Flexodruck und Siebdruck grösseren Raum sowie die Weiterverarbeitung entsprechenden Platz einnehmen.
 
Orientierung für Printbuying-Entscheider
Ein Fachbuch über das Buchbinden, «Vom Blatt zum Blättern», das 2016 im Verlag Hermann Schmidt in Mainz erschienen und in 2. Auflage mit 426 Seiten erhältlich ist, fällt durch ganzheitliche Wissensvermittlung und abbildungsdominierende Gestaltung auf. Beschäftigte aus Grafikdesign und Typografie, Werbung/Marketing und Herstellung kennen Zusammenhänge der Printproduktion und der Papierverarbeitung nur ungenügend. Dieses Know-how fürs Printbuying zu vermitteln, ist Anliegen der Edition, verfasst von den aus der Agenturszene stammenden Grafikdesignerinnen Franziska Morlok und Miriam Waszelewski.
 
Sicherlich für Leser ein Vorteil und Gewinn, mag doch die heutige Generation vielfach Zeichnungen, Grafiksymbole und Piktogramme – also Schemen- und Bildhaftes. Die Autorinnen ebnen mit der Fachpublikation einer verbesserten Kommunikation zwischen Printbuying-Entscheidern, Gestaltern und Herstellern sowie Buchbindern den Weg.
 
«Gestalten» ist heute das Programm
Schon seit einigen Jahren folgen viele Neuerscheinungen zu den Themen Buchbinden und Papierkunst dem zunehmenden «Do-it-yourself»-Trend. Immer mehr Menschen finden Interesse am künstlerischen Handwerk und am Umgang mit Naturmaterialien, möchten sich selbst ausprobieren und eigene Kreativität entdecken. Daran hat auch der familiengeführte, seit mehr als 110 Jahren bestehende Haupt Verlag aus Bern mit Hobbybüchern sowie Sach-/Fachbüchern seinen Anteil.
 
Immerhin erscheinen dort seit den 1960er-Jahren Editionen für das Buchbinder-Handwerk – einer der Bestseller ist «Schachtel, Mappe, Bucheinband» von Franz Zeier, und regelmässig werden (meistens von Hobby-Autoren) weitere Titel publiziert. Innerhalb des Schwerpunkts «Gestalten – Druck/Papier» sind (von der Sachpublikation über künstlerische Druck- und Buchbindetechniken bis zu erfindungs- und ideenreichen Papier-Upcycling-Anleitungen) mittlerweile mehr als 60 lieferbare Titel im Programm.
 
Praktische Handwerks-Fachbücher
Keine andere Buchbinderei ist im deutschsprachigen Raum bekannt, die eigene Fachliteratur über Formen, Fertigungstechniken und Produkte rund um das Buchbinder-Handwerk bietet. Klaus Müller gehört mit seiner seit über 40 Jahren bestehenden Werkstatt in Landau zu jenen Buchbindermeistern, bei denen nicht nur innovative, experimentelle Einzel- und Sonderfertigung, sondern auch historische Fertigungstechnik eine grosse Rolle spielt.
 
Innerhalb des Verlags schrieb Klaus Müller mit seiner Frau Hedwig Müller über 30 Fachbücher zu den Themengebieten «Buchbindereitechniken» und «Historische Buchformen». Ebenso beeindrucken ihn «Beutelbücher» aus dem Mittelalter, die er auf Kundenwunsch als individuelle Gästebücher anfertigt. Sowohl die verschiedenen Fachbücher wie auch ein Sortiment von Mini(atur)büchern gibt es im Online-Shop.
 
Ihr
Frank Baier,
Chefredakteur «Bindereport»