06.12.2022 / Knud Wassermann

Buchskulpturen sorgen für Wow-Effekt

Orufun und Bookogami sind zwei Techniken zum Upcycling von alten Büchern. Damit entstehen atemberaubende Buchskulpturen.
 
Ein Blick auf LinkedIn gehört mittlerweile zu meinem Berufsalltag – eigene Posts absetzen und schauen, was sich im Netzwerk so alles tut. Darren Trainer, seines Zeichens Lead Global Print Production Manager bei COTY/Wella Haircare, liefert immer wieder aufs Neue interessante Posts aus der Welt der Printproduktion. Obwohl ich ihn noch nie persönlich getroffen habe, bin ich mir sicher, dass er ein absoluter Print-Aficionado ist. Er findet immer wieder aufs Neue faszinierende Techniken, Lösungen, Anwendungen, bei denen ich aus dem Staunen nicht mehr herauskomme. Zuletzt postete er ein Video über Buchskulpturen, das bei mir für einen Wow-Effekt sorgte.
 
So wird das Regal zum Hingucker
Die meisten von uns kennen die traditionelle japanische Kunst des Papierfaltens Origami, bei der man ein Stück Papier so faltet, dass es die Form von Vögeln, Tieren und vielem anderen mehr annimmt. Bei der Kreation einer Buchskulptur werden die einzelnen Seiten so gefaltet, dass daraus – salopp gesagt – dreidimensionale Objekte zwischen den Buchdeckeln entstehen. Das Geschick, die Präzision und die Zeit, die der unter dem Namen Hinklay auftretende Künstler für die Erstellung dieser gefalteten Buchkreationen benötigt, sind wirklich atemberaubend.
 
Orufun lautet der Name der Kunstform, der der Japaner Yuto Yamaguchi alias Hinklay verfallen ist. Dabei wird nichts geschnitten oder geklebt. Richtig gemacht entstehen aus simplen Büchern Objekte, die in jedem Regal zu einem wahren Hingucker werden. Es dauerte nicht lange, bis er sein Talent erkannte und beschloss, mit dieser Leidenschaft seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Auf seiner Website zeig Yamaguchi sehr detailliert, wie das richtige Falten funktioniert. In dem Tutorial wird jeder Schritt beschrieben, bei dem am Ende etwa ein Herz im Regal stehen wird.
 
Obwohl das Buch in dem neuen Format unlesbar ist, ist es schon eine kreative Meisterleistung. In seinem Webshop findet man für wenig Geld auch Anleitungen für verschiedene Motive. Wem es zu aufwendig ist, selbst ein Buch in eine Skulptur zu verwandeln, der wird auch hier fündig.
 
Bookogami – mit Fingerspitzengefühl zu filigranen Objekten
Hinklay ist aber nicht der Einzige, der aus Büchern Skulpturen anfertigt. Als Anka Brüggemann 2006 als Ergänzung zu ihrem Onlineshop «Die Buch Bar» ein Ladengeschäft in Quedlinburg im deutschen Sachsen-Anhalt eröffnete, suchte sie nach passender Dekoration. Es lag nahe, dass diese etwas mit Büchern zu tun haben sollte, und so entstanden die ersten Papierobjekte aus alten Büchern. Dafür schuf sie das Kunstwort Bookogami, das sich aus dem englischen Wort für Buch Book und dem japanischen Wort für Papier, Gami, zusammensetzt. Die Kunden interessierten sich fortan nicht nur für die Bücher, sondern auch für die Ladendekoration. Sehr schnell wurden die ersten Objekte verkauft, und parallel dazu gab es erste Anfragen nach Workshops und Anleitungen.
 
So veröffentlichte Anka Brüggemann das Buch «Papier-Objekte aus alten Büchern», das im Schweizer Haupt Verlag erschienen ist. Es liefert Ideen, wie alten Büchern neues Leben eingehaucht werden kann. Im Unterschied zu Hinklay wird hier aber nicht nur gefaltet, sondern auch geschnitten, geklebt und gerollt. Aus den alten Buchseiten entstehen schmucke Collagen zum Aufkleben, raffinierte Himmeli-Ornamente zum Aufhängen, hübsches Papier-Porzellan und -Besteck und kunstvoll gefaltete Bücher zum Ausstellen.
 
Trotz aller Faszination für die Buchskulpturen tue ich mir schwer mit der Idee, dass Bücher alt werden können. In einem zeitlichen Kontext gesehen, vermitteln und manifestieren sie gleichzeitig gesellschaftliche, sprachliche und kulturelle Entwicklungen und sind so auch Zeitdokumente, die wir benötigen, um unsere Zukunft zu gestalten.
 
Ihr
Knud Wassermann,
Chefredakteur «Graphische Revue»
 
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06.12.2022 Knud Wassermann Chefredaktor «Graphische Revue»