Eintauchen in eine heile Welt

Heftromane und Rätselmagazine erfreuen sich allen Unkenrufen zum Trotz ungebrochener Popularität. Deutschlands Nummer 1 in diesem Segment ist Bastei Lübbe. «Panorama» entlockte Oliver Leimann, Verlagsleiter Romane und Rätsel beim Kölner Traditionsverlag, das Erfolgsgeheimnis dieser erfolgreichen Printprodukte.
 

«Panorama»: «Ärzte und Schicksale», «Adel und Liebe», «Heimat und Berge», «Western und Helden» – das sind die Themenwelten der von Ihrem Verlag herausgegebenen Heftromane. Was fasziniert Ihre Leser(innen) daran?
 


Oliver Leimann (Verlagsleiter Romane und Rätsel in der Bastei Lübbe AG): Es sind verschiedene Aspekte. Zum einen müssen die Probleme und Ereignisse, die in den Heftromanen thematisiert werden, möglichst viele Leute ansprechen. Es müssen Themen sein, mit denen ich mich identifizieren kann. Zum anderen stellt die Lektüre zweifellos für viele Leser(innen) eine Flucht aus dem Alltag dar. Man will eintauchen in eine – vermeintlich – heile Welt. Es gibt zwar zu Beginn der Geschichten durchaus Konflikte, aber am Schluss steht ein Happy End.
 
Diese Form von Literatur hält sich über Jahrzehnte. Was ist das Erfolgsrezept Ihres Hauses?

«Die Romanheft-Geschichten sind wegen ihres kurzen Inhalts gut zu konsumieren.»

 
Die Romane sind sprachlich einfach aufbereitet, und sie sind nicht zuletzt wegen ihres kurzen Inhalts – jeder Heftroman hat 64 Seiten Umfang – gut zu konsumieren. Zudem ist der Preis mit 1.80 Euro attraktiv. Und es sind auch vielfach die Helden, wie beispielsweise Jerry Cotton und John Sinclair, die unsere langjährigen Leser(innen) seit den Jugendjahren begleiten. Eine unserer Werbebotschaften lautet «Jedem seine Welt». Wir möchten all unseren Lesern die Möglichkeit geben, sich in ihrem Genre wohlzufühlen und dort einzutauchen.
 
Wie viele Heftroman-Titel geben Sie total heraus – und in welcher Periodizität?
 
Wir haben zurzeit 17 Titel im Männer- und 22 Titel im Frauenbereich. Zusammen mit den Sammelbänden sind wir bei über 60 Titeln. Diese erscheinen in der Regel wöchentlich oder zweiwöchentlich, die Sammelbände monatlich.
 
Sie sprechen vom Männer- und Frauenbereich. Wie unterscheiden sich diese Titel?
 
Natürlich ist dies ein Schubladendenken, das nicht in jedem Bereich passt. Aufgeteilt haben wir unsere Heftromane (was auch historische und interne Gründe hat) einerseits nach Spannungstiteln – dazu zählen Krimis und Western, aber auch Mystery- und Gruselthemen. Anderseits haben wir die Liebesromane und romantischen Serien, die eher die Frauen ansprechen. Natürlich gibt es auch männliche Leser, die Heimatromane schätzen, genauso wie es weibliche Fans von John Sinclair gibt.
 
Wie hoch liegt die jährliche Gesamtauflage?
 
Wir drucken pro Jahr rund 24 Millionen Hefte.
 
Wie hoch war diese in den Blütezeiten der 60er- und 70er-Jahre?
 
Offen gesagt, weiss ich das im Detail nicht – nicht zuletzt aus dem banalen Grund, dass wir 2010 nach über 50 Jahren in Bergisch Gladbach nach Köln umgezogen sind und dabei einiges an Archivmaterial entsorgt wurde. Unbestritten ist jedoch, dass wir früher Auflagengrössen hatten, die wir heute nicht mehr erreichen.
 
Wie verlief die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren?

 
Da konstatieren wir je nach Genre und Titel unterschiedliche Zahlen. Insgesamt sind Heftromane wie auch andere Druckerzeugnisse rückläufig, gemessen an der Gesamtentwicklung des Pressemarktes ist es bei den Roman- und Rätselheften noch relativ stabil. Wir verzeichnen keine dramatischen Rückgänge der Auflagen.
 
Sie sagen «noch relativ stabil». Was erwarten Sie für die nächsten zehn Jahre?

«Ich glaube daran, dass Heftromane eine Zukunft haben.»

Eine Prognose bezüglich des Konsumentenverhaltens in diesem Marktsegment auf zehn Jahre hinaus zu wagen, ist ziemlich schwierig. Natürlich gab es in den letzten Jahren einen grossen Wandel, gerade was die Digitalisierung betrifft. Aber hier und heute zu sagen, in 20 Jahren gäbe es keine Heftromane mehr, diese Prognose würde ich nicht stellen. Denn ich glaube daran, dass Heftromane eine Zukunft haben.
 
Mit welchen Strategien sichern Sie den Erfolg dieser traditionellen Geschäftssparte Ihres Unternehmens für die Zukunft?
 
Wir stärken das Bewährte und Erfolgreiche, wagen gleichzeitig aber auch Neues und sind bereit, auch unkonventionellere Dinge umzusetzen. Im wirtschaftlichen Bereich müssen wir natürlich immer schauen, wo wir Kosten reduzieren und Erträge optimieren können. Das ist die Programm- und betriebswirtschaftliche Komponente. Es geht aber auch um unsere Präsentation im Handel. Denn wir stellen fest, dass die dem Segment Roman- und Rätselheft zugeteilte Regalfläche reduziert wird. Es gibt – auch auf Bestreben mächtiger Marktteilnehmer, namentlich Grossverlage aus dem Zeitschriften- und Zeitungsbereich – die Idee: Ein Rätselheft hat zwei Monate Angebotszeit und kostet 1.50 Euro. In dieser Zeit kann ich achtmal eine TV-Programmzeitschrift verkaufen, weil diese wöchentlich erscheint. Deshalb müssen wir die Präsentation unserer Produkte im Handel optimieren.
 
Und wie machen Sie das?
 
Wir arbeiten mit einem Vertriebsdienstleister zusammen, der für uns seit vielen Jahren als Schnittstelle zum Handel, den Pressegrossisten und Bahnhofbuchhändlern fungiert. Die Pressegrossisten bedienen wiederum die rund 105 000 Presseverkaufsstellen in ganz Deutschland. In einem Pilotversuch präsentieren wir unsere Produkte nicht mehr geschuppt, wo man ein Heft nicht vollflächig wahrnehmen kann, sondern wir machen Stapel und stellen die Titel hintereinander auf. Das hat für signifikante Mehrverkäufe gesorgt. Ansonsten machen wir Aktionen – so beispielsweise vor kurzem ein Crossover zwischen Professor Zamorra und Geisterjäger John Sinclair, zwei Gruseljäger, die sich gegenseitig befruchten, indem der Protagonist des einen Romans auch im andern vorkommt.
 
Welches ist der Nummer-1-Titel in Ihrem Haus?
 
Das sind unsere Westernromane des Autors Gert Fritz Unger. Dieser weilt leider nicht mehr unter uns, hat aber Zeit seines Lebens über 800 Romane verfasst, die sich einer ungebrochenen Beliebtheit erfreuen.
 
Wie ist es möglich, dass Romane eines verstorbenen Autors auch heute noch die Nummer 1 auf dem Markt sind?
 
Es ist in diesem Segment durchaus nicht unüblich, dass es Neuauflagen der Romane gibt.
 
Verkaufen Sie die Heftromane vorwiegend am Kiosk oder per Abo?
 
10 bis 15 Prozent unsere Heftromane setzen wir mit Abos ab – insbesondere in Bereichen wie Mystery oder Grusel, die einen hohen Sammlerwert haben. Die überwiegende Mehrheit wird jedoch an Kiosken, Pressefachverkaufsstellen und im Bahnhofbuchhandel verkauft.
 
Gibt es Ihre Heftromane neben der Printversion auch als E-Book?
 
Ja, ein Grossteil unserer Heftromane erscheint seit mehreren Jahren parallel auch als E-Book. Wir waren einer der ersten Verlage in Deutschland, der das Thema Digitalisierung und E-Book aufgegriffen hat. Zum Teil haben wir auch ältere Folgen, die es als Heftroman gar nicht mehr gibt, im digitalen Bereich neu auflegen lassen – was gerade bei Fans und Sammlern gut ankommt. Wir bieten auch verschiedene digitale Abos an, beispielsweise 100 Jerry-Cotton-Romane in einem Paket mit attraktivem Preisvorteil.
 
Wie kommt ein E-Book zum Leser?
 
Dafür haben wir verschiedene Download-Vertriebsplattformen wie beispielsweise den beam-shop und die Websites der bekannten Handelspartner – vergleichbar mit der Musikbranche.
 
Wie hoch liegt der prozentuale Anteil der E-Books?
 
Bei den Western- und Spannungsromanen liegen wir bei ungefähr 10 Prozent, bei anderen Genres – insbesondere den Heimatromanen – ist es deutlich weniger.
 
Führen Sie den relativ geringen E-Book-Anteil auch auf die Altersstruktur Ihrer Leserschaft zurück?
 
Im Bereich der Heimat- und Liebesromane zweifellos, denn da haben wir viele Leser(innen) im Alter von 70 bis 80 Jahre und älter. Bei diesen ist der Bezug zu den digitalen Medien und E-Books in der Regel nicht so gegeben wie bei den Fans von Professor Zamorra.
 
In welchem Alterssegment bewegen sich Ihre Leser(innen)?
 
Unsere Kernzielgruppe ist zwischen 50 und 69 Jahre alt. Bei den Arztromanen haben wir einen beträchtlichen Anteil von unter 50-Jährigen. Arztromane scheinen also eine etwas jüngere Zielgruppe anzusprechen, während sich der klassische Heimatroman an ein eher älteres Publikum richtet.
 
Lancieren Sie auch heute noch neue Titel, oder konzentrieren Sie sich auf bestehende Titel?
 
Sowohl als auch. Wir haben in den letzten Jahren festgestellt (und das gilt für unsere Mitbewerber gleichermassen), dass es neue Titel schwer haben. Das ist jedoch kein heftroman-spezifisches Phänomen, sondern gilt für Programmzeitschriften, Sportmagazine oder die Yellow Press genauso. Die bekanntesten Marken im Markt sind stabil, aber neue Titel haben es sehr schwer. Das heisst jedoch nicht, dass wir es nicht versuchen. Bloss hat die Erfahrung gezeigt, dass es mehr Sinn macht (was wir beispielsweise bei John Sinclair, von dem über 2500 Hefte erschienen sind, gemacht haben), die früheren Geschichten als Classic-Nachdrucke nochmals aufzulegen. Zudem haben wir die bereits vor Jahrzehnten äusserst populären und Mitte der 80er-Jahre eingestellten Lore-Romane wieder neu lanciert. Mit Cherringham haben wir zudem vor drei Jahren eine neue Grusel-Krimi-Serie auf den Markt gebracht, die zuerst nur als E-Book erschien, heute auch gedruckt wird und im Sinne einer 360-Grad-Vermarktung auch als Hörbuch zu haben ist.
 
Jüngere Leute konsumieren häufig kürzere Inhalte im Internet. Da sollten ihnen Ihre kompakten 64-Seiten-Romane doch eigentlich entgegenkommen.
 
Netflix oder Amazon Prime haben mit ihren vielen Serien, häufig Episoden à 30 bis 60 Minuten, grossen Erfolg. Denn diese Formate kann ich bequem als abgeschlossene Einheit konsumieren. Natürlich wird es auch in Zukunft Fans der 1200-Seiten-Romane von Ken Follett geben.

Doch so alt das Genre des Heftromans auch ist: Es hat den grossen Vorteil, dass ich es durch seine kleine, abgeschlossene Einheit gut und schnell lesen kann.
 
Erscheinen all Ihre gedruckten Heftromane geheftet im C5-Format?
 
Ja, die Einzelromane erscheinen allesamt geheftet im Format 155 x 225 Millimeter und sind auf Zeitungspapier gedruckt. Die im Format etwas kleineren Sammelbände hingegen sind klebegebunden.
 
Sie machen ja bestimmt Markforschung. Welches Image haben Heftromane?
 
Da bedarf es gar keiner grossen Marktforschung, denn das Image der Heftromane dürfte bekannt sein. Sie werden belächelt. Es geht mir auch im Privaten so: Wenn ich in meinem Freundeskreis erzähle, was ich beruflich mache, kommt schnell mal die Reaktion: «Ach so, Jerry Cotton und Dr. Frank, gibts die immer noch? – Die kenne ich doch von meiner Oma…» Heftromanen haftet eben das Image an, sie seien alt, schon lange ausgestorben, trivial und günstig. Was die Leserschaft betrifft, tragen sie das Cliché des einfachen, armen, ungebildeten Arbeitsmanns, der sich für kleines Geld seine Lektüre holt. Natürlich sprechen wir viele ältere Damen und Herren an, die in jungen Jahren andere Dinge im Fokus hatten als eine akademische Laufbahn. Aber unser Verlag nimmt diese genauso ernst wie die Studierten. Insofern haben wir ein breitgefächertes Publikum. Der bekannte Schauspieler und Entertainer Harald Schmidt hat sich ja stets dazu bekannt, Jerry Cotton gelesen zu haben. Und es gibt auch Ärzte, die unsere Arztromane lesen.
 
Hat sich das Image in den vergangenen Jahren verändert? Die Kirche und Schulen sollen ja früher heftig gegen Heftromane protestiert haben.
 
Natürlich wurde unser Verlag, der ja nicht nur die Heftromane, sondern auch Bücher für ein breites Publikum herausgibt, immer wieder mit Kritik konfrontiert. So rief beispielsweise das katholische Kirchenoberhaupt im Vatikan zum Boykott auf, als wir Dan Browns «Sakrileg» veröffentlichten. Doch letztlich sind solche Reaktionen immer beste Werbung…
 
Wer sind Ihre Heftroman-Autor(inn)en? Sind es pro Genre stets die gleichen?
 
Wir haben eine Vielzahl an Autor(inn)en – darunter viele, die schon sehr lange für unser Haus tätig sind. Und es ist keineswegs so, dass sich diese ausnahmslos auf ein Genre konzentrieren. Wer beispielsweise einen Krimi schreibt, kann durchaus auch ein Gefühl für einen guten Western haben. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass erfolgreiche Autoren mit dem Schreiben von Heftromanen angefangen haben und das teilweise heute noch praktizieren – nicht selten jedoch unter einem Pseudonym, weil sie nicht (mehr) öffentlich mit dem Heftroman-Image in Verbindung gebracht werden möchten.
 
Was muss eine Heftroman-Geschichte beinhalten, damit sie sich erfolgreich verkauft? Gibt es einen Erfolgsschlüssel?
 
Natürlich muss das Produkt in jeder Hinsicht den Erwartungen unserer Leser entsprechen. Wenn ich aus Marketingsicht anfangen darf: Die Titelseite muss mich ansprechen. Viele Bildmotive von Mystery- und Grusel-Romanen werden von namhaften Künstlern gezeichnet und avancieren zu begehrten Werken. Zudem muss der Preis passen, weshalb das Thema Preissensibilität sehr gross ist. Ich muss einen guten Inhalt mit Happy End oder Cliffhanger haben sowie Protagonisten, mit denen ich mich identifizieren kann. Und wir nehmen alle unsere Leser und Produkte ernst. So muss das Handwerk unserer Lektoren für Heftromane genauso korrekt und professionell ausgeführt werden wie bei allen anderen Werken unseres Hauses.
 
Wie haben sich die Geschichten in Ihren Heftromanen mit der Zeit verändert?
 
Die Lore-Romane sind bewusst klassische Liebes-Romane. Sie haben ein bestimmtes Setting, bei dem man in die Vergangenheit abtaucht und Dinge erlebt, die zur damaligen Zeit passieren. Jerry Cotton oder andere Romanhelden dürfen aber schon mal ein Handy haben. Und insbesondere bei Arztromanen ist es wichtig, dass die dort beschriebenen Medikationen, Behandlungs- und Operationsmethoden zeitgemäss sind. Deshalb ist es in diesem Genre auch schwierig, ältere Romane neu aufzulegen. Da muss dann schon gründlich lektoriert werden. Kurz: Unsere Helden gehen durchaus mit der Zeit, und Jerry Cotton fährt auch nicht mehr diesen ganz alten Jaguar. Andere Genres wiederum – wie Western- oder Vampir-Romane – sind jedoch zeitlos, da müssen wir nichts ändern.
 
Neben Heftromanen ist Bastei Lübbe auch Herausgeber eines reichhaltigen Spektrums an Rätsel-Zeitschriften mit nicht weniger als 32 verschiedenen Magazinen mit insgesamt rund 225 Ausgaben. Mit welchem Rezept halten Sie Ihre Leser(innen) bei der Stange – notabene in einem Markt, der mit immer neuen Playern als übersättigt gilt?
 
Unsere Rätselmagazine stehen gleichermassen für hohe Qualität und beste Unterhaltung und bieten eine abwechslungsreiche Mischung der beliebtesten Rätselarten und spannender Rätselinnovationen. Es ist wichtig, ein einheitliches und klares Erscheinungsbild der Rätselmagazine mit hohem Wiedererkennungswert zu haben – und dies zu einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch wenn es seit Jahren zahlreiche digitale Rätsel und Apps gibt, so hat sich an dem Wunsch der allermeisten Leser(innen), dem Rätselheft mit Bleistift und Radiergummi zu begegnen, nichts geändert.


 
Sie sprechen von Rätsel-Innovationen. Was müssen wir darunter verstehen?
 

Idealerweise etwas, was es in dieser Form noch nicht gibt. Die letzte grosse Innovation war Sudoku, das einen wahren Hype auslöste. Etwas in dieser Grössenordnung ist uns in den letzten fünf Jahren nicht wieder eingefallen. Doch wir präsentieren eine Vielzahl an Kombinationen von Rätseln, die es so bisher noch nicht gegeben hat. Ein Beispiel: Mein Kollege und ich hatten die Idee, ein Gitterrätsel, bei dem die Begriffe ihrer Länge nach sortiert vorgegeben sind und wo es um Zahlenfolgen geht, mit einem Sudoku zu verbinden. Man muss zuerst das Sudoku lösen, um ein Startwort fürs Gitterrätsel zu haben und dies in einem zweiten Schritt zu lösen. Oder wir haben die «Rätsel-Zwiebel» erfunden, bei der wir die vier beliebtesten Rätsel-Arten zu einem einzigen Rätsel kombinieren und man sich wie beim Häuten einer Zwiebel in vier Schritten von aussen nach innen vorarbeiten muss. Erst gilt es, einen Buchstabensalat mit Begriffen in ein Gitterrätsel einzufügen, verschiedene Begriffe im Gitterrätsel halten wiederum in einem Schweden-Rätsel Einzug, und innendrin ist noch ein Zahlen-Kreuzworträtsel. Beliebt ist auch, bestimmte Themen in die Rätsel zu integrieren – zum Beispiel Koch- und Backrezepte. Wer das Rätsel löst, hat ein vollständiges Rezept.
 
Wie entstehen neue Magazine? Was muss eine erste Idee haben, dass Sie sie in ein Magazin umsetzen?
 
Gerade in einem übersättigten Markt ist es wichtig, interessante Produktvarianten und/oder neue Rätselformen und -Kombinationen zu finden, die noch nicht so stark verbreitet sind. Andererseits haben wir immer wieder festgestellt, dass die Leser(innen) ganz klassisch «ihr» Schwedenrätsel haben wollen. Vor allem müssen die neuen Ideen zunächst einmal uns gefallen und Spass machen.
 
Gibt es gewisse Trends im Rätselmarkt?
 
Nach wie vor bereichern diverse Sudoku- und Logikrätsel-Varianten den Markt. In den meisten Fällen ist deren Zielgruppe jedoch recht klein. Der klassische Rätsler will nach unserer Erfahrung gar nichts Neues, er will auch nicht belehrt, sondern einfach nur gut unterhalten werden.
 
Wer sind die Käufer(innen) von Rätselmagazinen? Rätseln heutzutage auch noch viele junge Leute oder setzt sich Ihre Zielgruppe eher aus älteren Ratefans zusammen?
 
Die Hauptzielgruppe ist 55+, aber wir wissen auch von vielen jüngeren Lesern. Insbesondere mit unserem Sudoku-Angebot, das in Zusammenarbeit mit Deutschlands bekanntestem Rätselmacher Stefan Heine entsteht, erreichen wir viele junge Rätsler.
 
Wie haben sich die Auflagen der Rätselmagazine Ihres Verlags in den vergangenen Jahren entwickelt?
 
«Rätseln ist das drittbeliebteste Hobby der Deutschen nach Gartenarbeit und Shopping.»

Sie waren in vielen Fällen in den letzten Jahren rückläufig. Das ist zum einen dem Einkaufsverhalten der Grosshändler, zum andern der Verknappung der Angebotsfläche bei gleichzeitig zunehmendem Wettbewerb geschuldet. Es hat aber auch mit dem Stichwort «Koppelkäufe» zu tun. Denn wir haben mittels Studien festgestellt, dass Rätsel- und Heftromane am Kiosk oft als Begleitprodukt zu einem anderen Magazin gekauft werden. Weil die Auflagen vieler dieser Magazine rückläufig sind, gibt es auch weniger Koppelkäufe.
 
Wie stehen Sie dabei im Vergleich zum gesamten deutschen Markt?
 
Mit einigen Rätsel-Kategorien sind wir deutlich erfolgreicher unterwegs als der Markt insgesamt.
 
Wie viele Rätselhefte verkaufen Sie pro Jahr?
 
Ungefähr 3 Millionen.
 
Bieten Sie auch Rätselmagazine als E-Book an?
 
Nein. Wir beobachten in diesem Segment die Entwicklung seit mehreren Jahren sehr genau und stellen fest, dass es bisher weder eine Rätsel-App noch eine Geschäftsidee gibt, die wirklich gewinnbringend ist oder ein grosses Potenzial hat. Unsere Leser(innen) wollen auf das haptische Erlebnis nicht verzichten, die Magazine in den Händen halten und die Rätsel klassisch lösen.
 
Welche Zukunft prophezeien Sie den von Ihrem Verlag herausgegebenen Magazinen und Büchern in gedruckter Form?
 
Wenn ich bei den Rätseln anfangen darf: Rätseln ist gemäss einer Studie das drittbeliebteste Hobby der Deutschen nach Gartenarbeit und Shopping. 42 Millionen Deutsche lösen in ihrer Freizeit mehr oder weniger regelmässig Rätsel. Wenn man sich die beliebten TV-Formate anschaut, allen voran die vielfältigen Quizshows, dann wage ich die Behauptung, dass das Thema Rätseln immer aktuell bleiben wird. Tatsächlich lauten die grossen offenen Fragen: Wird das in physischer Form sein? Sind das Magazine? Dicke Rätselbücher? Oder mache ich das auf meinem Tablet? Aufgrund unserer Erfahrungen im digitalen Rätselbereich sehe ich jedoch eine gute Zukunft für die gedruckten Rätsel. Bei den Heftromanen haben wir nach wie vor gute Ideen und noch viele Geschichten, die nicht erzählt sind. Wir machen nicht den Fehler, uns zurückzulehnen und zu glauben, es werde alles so weiterlaufen, wie es die letzten 50 Jahre gelaufen ist. Insofern ist es auch an uns, die Zukunft erfolgreich und ertragsreich zu gestalten – auch in gedruckter Form. Wir müssen unseren Leser(inn)n das zu einem attraktiven Preis bieten, was ihnen Freude macht. Gelesen wird immer. Letztlich besteht die Herausforderung darin, die Inhalte attraktiv und in der vom Konsumenten bevorzugten Form aufzubereiten – und da ist unser Haus gut aufgestellt. Ich bin sehr optimistisch, dass es noch eine ganze Weile Bücher geben wird. Die sind im Übrigen am Strand auch viel praktischer als ein Laptop voller Sand…

Bastei Lübbe

Die Bastei Lübbe AG ist eine international tätige Mediengruppe mit Sitz in Köln. Die Geschäftstätigkeit fokussiert sich auf die Entwicklung und Lizensierung von Inhalten, die physisch und digital weltweit vertrieben werden. Zum Kerngeschäft des Unternehmens gehören im Segment Buch das klassische Verlagsgeschäft sowie die periodisch erscheinenden Rätsel- und Romanhefte.
 
Mit seinen insgesamt zwölf Verlagen und Imprints hat die Unternehmensgruppe derzeit rund 3600 Titel aus den Bereichen Belletristik, Sach- sowie Kinder- und Jugendbuch im Angebot. In der Hardcover-Belletristik ist das Unternehmen seit vielen Jahren Marktführer in Deutschland. Gleichzeitig ist Bastei Lübbe Innovationstreiber im Bereich digitaler Medien.

Oliver Leimann

Oliver Leimann verantwortet seit Anfang 2017 als Verlagsleiter den Bereich Romane und Rätsel in der Bastei Lübbe AG. Er ist seit 24 Jahren mit dem Kölner Traditionsverlag verbunden – nach seiner Ausbildung mit Stationen im Taschenbuchvertrieb, Marketing und zuletzt als Leiter Rätsel.